Freitag, 6. Januar 2017

Frohes Neues!

"Frohes, Neues", sagte Nikki zu der Elfe, die sich auf der Bank gegenüber niederließ. Ihre dunkle Mütze und die langen, glatten und blonden Haare gaben ihr etwas verträumtes. Die freundlichen Worte ignorierte sie einfach. Mit ihren blauen Augen schaute sie schweigsam aus dem Fenster.
Nikki atmete hörbar aus. Sollte es das gewesen sein? Sie hatte sich fest vorgenommen im neuen Jahr freundlich und offen zu allen zu sein.
Zum Glück erwiderte dann doch die Elfe: "Danke, ebenso" .
Sie lächelte sogar und zeigte kurz ihre weißen Zähne. "Entschuldige, ich bin noch gar nicht im neuen Jahr angekommen", fügte sie hinzu.
"Normal fahre ich auch nicht schon am zweiten Januar ins Geschäft. Aber diesmal liegt Neujahr so ungünstig. Da müsste ich doch vier Tage Urlaub nehmen und die fehlen mir dann doch später. In dem Matschwetter kann man doch sowieso nicht wegfahren. Besser dachte ich mir im Sommer ein paar Tage mehr frei haben. Aber dann ist es ja doch noch so richtig dunkel im Januar. Vielleicht hätte ich doch lieber frei genommen?", sprudelte es aus Nikki aus.
Die Elfe hörte schon gar nicht mehr zu. Sie blickte abwesend aus dem Fenster.
Nikki wollte gar nicht zudringlich werden. Das war schon einmal ein Anfang. Aber war das nicht doch ein doofer Schluss? Besser wäre doch ein Lob oder Kompliment gewesen. Sie betrachtete das im Fenster gespiegelte Gesicht des blonden Mädchens. So sah sie noch viel schöner aus. Im Hintergrund war es noch dunkel. Die Blässe ihrer Haut kam durch diesen Kontrast noch viel stärker zur Wirkung. Dazu noch die blonden Haare. Sonst wäre ich solch einem Engel nicht begegnet, wäre besser gewesen, dachte sich Nikki. Obwohl so eine blöde Anmache auch doof gewesen wäre.
Im Fenster auf der anderen Seite des Waggons sah sich Nikki. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu. Ihr Gesicht war nun wirklich freundlich und aufgeschlossen!
In der nächsten Station ging die Elfe. Nikki stellte sich danach an die Tür und betrachtete wieder ihr Spiegelbild. Sie lächelte und wusste, dass sie verliebt war.
Mit "Frohes Neues" grüsste der grimmig der Wachmann die vor dem Geschäft wartenden Angestellten. Alle grüssten pflichtgemäß und mehr oder weniger mürrisch zurück. Wer arbeitete schon gerne am 2ten Januar?
Nikki blieb noch bei dem Wachmann stehen und sagte: "Ihnen auch ein frohes, neues Jahr." Dabei setzte ihr liebstes Lächeln auf.
"Äh", der Wachmann wusste nicht so genau, wie er darauf reagieren sollte. Eine Röte zog in sein Gesicht. Zunächst wurde nur der Hals am Kragen rot, dann aber auch die Bäckchen.
Nikki merkte, dass sie da etwas angerichtet hatte, das missverstanden werden konnte.
"Also man sollte sich doch nicht nur so, sondern auch überhaupt",plapperte sie zunächst einfach los, um dann zu erklären: "Ich habe mir für das neue Jahr vorgenommen, freundlich auf die Menschen zu zugehen. Verstehen Sie?", aber er blickte nur mit großen Augen zurück.
"Letztes Jahr wollte ich abnehmen und Sport machen. Das hat ja überhaupt nicht geklappt. Und für dieses Jahr ist es etwas anderes. Ich habe mir vorgenommen, am ersten Arbeitstag wirklich freundlich grüßen. Was meinen Sie? Das habe ich doch ganz gut hinbekommen. Meinen Sie nicht?"
"Ja, ja.", er nickte und schüttelte dann verständnislos den Kopf.
"Was haben Sie sich denn vorgenommen? Jeder nimmt sich doch etwas vor.", fragte sie.
"Ich rauche nicht mehr. Hat bisher geklappt, obwohl, wie lange das anhält?"
"Sehen Sie?", Nikki zeigte ihm ihre linke Hand mit den Daumen zwischen Zeigefinger und Mittelfinger. "Ich drücke Ihnen den Daumen." kurz blickte sie ihn an, dann setzte sie "Sie schaffen das. Bestimmt!" hinzu und ging weiter zu ihrem Arbeitsplatz in einem Reisebüro. Ihre Tasche legte sie auf den Schreibtisch, die Jacke und Mütze hängte sie an die Garderobe.
Sie lächelte dabei.

Auch ihren letzten Kunden begrüsste Nikki mit einem aufrichtigen "Frohes Neues". Er entgegnete nur "Ja richtig. Hoffen wir mal."
"Wenn wir es fröhlich anfangen, dann wird es bestimmt auch so. Es ist doch .."
"Also ich möchte nach Thailand", unterbrach sie der glatzköpfige Mann. Er sagte es entschieden und lehnte sich dann mit verschränkten Armen zurück. Sie zuckte mit den Schultern und fragte nach: "Flug? Oder auch mit Hotel? Etwas Pauschales? So komplett mit Besuchen und Führungen? Was sind denn so ihre Interessen?"
"Äh. Ja. Thailand und die, na. Sie wissen schon", druckste er. Nun war es an Nikki rot zu werden. Mit einem verklemmten Bumstouristen hatte sie nicht gerechnet. Wie sollte sie den nur beraten?
"Kultur und Exkursion in den Norden ist dann wohl nicht ihre Sache. Sondern eher so an den Strand und in den Rotlichtbezirk zum ....", ja was? Zum Glück fiel ihr der Ausdruck "feiern" ein.
"Feiern?", der Mann zog kurz die Augenbrauen hoch, dann stimmte er begeistert zu: "Genau! Zum F .. Feiern!", dabei zwinkerte er ihr doch tatsächlich zu!
"Dann mehr also ein Aufenthalt an den Stränden und Inseln. All-inclusive im Club oder eher selbst organisiert?"
"All-inclusive? Mit Mädchen?"
"Mit Essen und Trinken und Transfer vom Flughafen. Das ist gut, wenn Sie wenig Reiseerfahrung haben. Waren Sie schon einmal in Asien?"
"Nein, nein. Ich will mich nur einmal so richtig ausf .. feiern! Habe ich mir für das Jahr vorgenommen. Und in Thailand bekomme ich das doch. Habe ich gehört. Oder?", der Mann machte keinen sicheren Eindruck mehr. Irgendwie tat er ihr leid.
"Schauen Sie mal. Hier ...", sie erklärte ihm eine Pauschalreise nach Phuket, die er dann auch begeistert buchte.
Mit "Viel Spaß dann, beim f ... feiern" verabschiedete sie ihn an der Tür. Diese schloss sie ab, damit sie in Ruhe das Büro aufräumen konnte. Als sie damit fertig war, zog sie Jacke und Mütze an, schaute noch einmal in den Spiegel und strahlte ihr Spiegelbild an. Sie liebte sie wirklich!

In ihrer Wohnung eingetroffen, hängte sie Jacke und Mütze an die Garderobe. Dann beschloss sie von ihrer Liebe zu berichten. Per Skype setzte sie sich mit ihrer Mutter in Verbindung.
"Hallo Nikki, was gibt es denn?"
"Mami, ich bin verliebt."
"Endlich. Wer ist es denn?"
"Warte, ich zeig es Dir", geschwind sprang sie auf, ging zur Garderobe und holte ihre Mütze.
"Siehst Du. Die ist doch toll. Der glitzernde Stern, meinst Du nicht?"






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