Samstag, 29. Oktober 2016

Geschnitten

Mit ihr hatte er gar nicht gerechnet. Diese Frau war das, wie immer, unerwartete Sahnestückchen, das der Tüchtige verdient hat.
Er setzte sich aufrecht hin, als sie fragte: "Ist hier noch frei".
"Aber sicher doch!", antwortete er ohne in irgendeiner Weise zu Lächeln oder sonstiges Interesse zu zeigen.
Die Müdigkeit des frühen Aufstehens war verflogen. Sollten die Fahrten mit dem Frühzug, die die nächsten sechs Wochen zu bewältigen waren, doch interessanter werden als gedacht?
Mit einem schlichten "Danke" nahm sie Platz. Ein freundliches Lächeln hätte sie sowieso nicht erwidert. Richtige Frauen reagieren da sowieso nicht drauf. Ein kurzer Blick kam trotzdem, dann widmete sie sich den Unterlagen, die sie aus ihrer Tasche holte.
Der Blick sagte ihm, dass ein klein wenig Interesse vorhanden sein könnte. In seiner Ecke machte er sich ein klein wenig breiter. Den rechten Arm lehnte er an das Fensterbrett, die Beine breitete er aus. Ein Mann muss als solcher zunächst Gelände sichern, das war schon im Neanderthal so. Er überlegte, wie er einen ersten Punkt setzen könnte. Etwas, an das er gegebenenfalls am nächsten Morgen anknüpfen konnte.
Als er sah, welche Unterlagen sie las, stutzte er ein wenig, dann grinste er wieder.

Sonntag, 23. Oktober 2016

Unpassend

"Stell Dich einfach zu einem Grüppchen dazu und mach halt den Zuhörer, der dazu gehört. Hör zu, lach mit und immer gut drauf sein."
"Du spinnst"
"Nein, glaub mir. Das funktioniert schon. Die kennen sich untereinander doch gar nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Jeder kann wichtig sein. Keiner traut sich nachzufragen, wer denn der andere ist. Es könnte ja ein Wichtiger sein, den man einfach kennen muss. Und, wenn man den nicht kennt, gehört man ja vielleicht selber nicht so richtig dazu."
"Wie?"
"Menschen sind doch immer so Gruppenwesen. Man gewöhnt sich an die Leute, die um einen drumherum stehen. Die waren schon immer da, also gehören die dazu. Die haben mitgelacht, also sind die derselben Meinung. Das sind alles Besucher, die sich für Kunst interessieren, die zeigen wollen, welche noblen Wesen sie sind. Ich bin auch nobel und hier und gehöre offensichtlich nicht zum Personal. Also kann ich doch einfach dazu gehören. Auf einer Vernissage habe ich das schon einmal gemacht und es hat funktioniert. Und? Wer weiß, vielleicht läuft ja noch etwas", die rechte Hand des Kollegen griff in die Luft und schien etwas in seine Tasche zu stecken.
"Was soll da schon ..."
"Sekt bestimmt, gutes Essen und wer weiß ein Tipp, wie Geld verdient wird. Die Weiber in diesen Schichten sind auch manchmal so richtig geil und suchen richtige Männer. Wir sind doch richtige Männer! Und wir verlegen die besten Rohre", der Kollege lachte und ging zum Eingang.

Freitag, 14. Oktober 2016

Die Verabredung

"CU@U?" schrieb er mit flinken Fingern, grinste und wartete. Seine rechte Hand klopfte auf seinen Oberschenkel.
Eine Antwort kam nicht sofort. Bestimmt musste Jupp das Ding wieder suchen. Er schaute sich ein paar Bilder an. Was da wieder für ein Blödsinn gepostet wurde. Nach ein paar Minuten schrieb er noch einmal "?".
Er spielte ein wenig 2048, dann summte es und es kam eine unerwartete Antwort. Es war ein Smiley mit Verband. Wo hatte Jupp das nur her? Dann klingelte das Smartphone.
"Jou"
"Bin im Bett"
"Dann steh halt auf, ich muss bei Dir spielen. Meine Schwester hat den Compi geschrottet und wenn ich nichts mache, ist das mit dem Plan vorbei. Da haben wir doch soviel hineingesteckt. Und dann kannst Du Dir den Zaubertrank auch abschminken. Deswegen komm ich mal ..."
"Bin nicht da."
"Wie? Wo?"
"Bin Krankenhaus. Bein und Arm kaputt. Die doofe Tucke hat ihre Sachen auf der Treppe gelassen. Ich bin da voll rüber und krach bunn nach unten ..."
"Scheiße! Was soll ich nun machen?"
"Puh"
"Ist bei Euch jemand da? Ich kann ja dann auch alleine. Wenn.."
"Ja, hast Recht. Ich melde Dich mal an. Und dann geh halt vorbei. Und viel Glück."