Freitag, 25. März 2016

Schwarz

"Guten Morgen" sagte Moritz zu dem Mann, der am Bahnsteig direkt vor der Tür des Aufzugs stand. Dieser blickte ihn entsetzt an, holte dann aber Luft und erwiderte ein "Guten Morgen". Zwischen seinen Augenbrauen hatte er eine Falte. Es war keine freundliche Rückgabe des Grußes.
Moritz sah das im Vorbeigehen, dachte aber erst darüber nach, als weiter hinten auf den Bahnsteig stand und auf die Bahn wartete. Er lächelte zu dem anderen Mann zurück, aber dieser schaute nur in Richtung Tunnel. Was war das denn? Am ersten Tag wollte er einen guten Eindruck machen und gut gelaunt in der Klinik aufschlagen. Also hatte er sich vorgenommen andere Menschen zu grüßen. Es gab doch ein altes Sprichwort das sagte, "wie man hineinruft, so schallt es heraus". Und was wäre da besser geeignet als "guter Morgen"? Oder auch "guten Tag". Das war doch die Kurzform vom "Ich wünsche Dir einen guten Morgen". Genau das, was er allen Menschen immer wünschte. Er wusste, dass in Süddeutschland auch "Grüß Gott" gesagt werden konnte. Aber das klang zum einen so richtig religiös und hatte für ihn noch diese Nebenbedeutung von "Grüß Gott, ich schick Dich hin". Sein Vater war richtig sauer, als er ihn darauf hinwies. Bei dem Gedanken daran, musste Moritz grinsen. Als die U-Bahn kam, hatte er beschlossen, das das bestimmt nur ein Griesgram war, der schlecht geschlafen hatte.

Freitag, 18. März 2016

Rubin

"Sehen wir uns heute Abend wieder?" fragte er leise.
"Warum?"
"Ach, Du. Komm schon. War doch toll und hat doch auch gut getan" grinste er.
Sie schaute nur über den Tisch und biss in ihr Milchhörnchen. Mit geschlossenem Mund kaute sie nachdenklich. Warum gefielen ihm eigentlich ihre Tränensäcke? Er zog seine Augenbrauen hoch und wartete.
"Schau Dich doch einmal an. Was sollte ich mit .. Warum habe ich nur?" schüttelte sie den Kopf. Im Spiegel des Schaufensters gegenüber betrachtete er sein Aussehen, obwohl das doch den Weibern immer egal war. Verändert hatte er sich jedenfalls nicht, die Haare schwarz und fettig, ein paar Stoppeln mehr im Gesicht.
"Ich bin doch gar nicht verändert" bemerkte er. Was hatte sie nur? Obwohl? Warum war er nur über Nacht geblieben? Vermutlich waren die Weiber am Morgen doch anders als am Abend vorher. Vielleicht haben die ja nicht nur ihre Tage, sondern auch ihre Stunden oder Tageszeiten?
"Ach nee. Gestern muss ich von Sinnen gewesen sein. Hast Du mir etwas ins Glas getan?" Ihre Mundwinkel setzten sich in zwei Furchen bis zur Unterkante des Kiefers fort. Wie schön sie doch war.
"So KO Tropfen? Nie." Er schüttelte ungläubig den Kopf. Die Weiber wurden auch ohne Chemie läufig, wenn er das wollte. Erklärend fügte er hinzu: "Du warst doch gar nicht KO. In der ganzen Nacht nicht, oder ..?" Seine braunen Zähne zeigten sich in seiner Grinse.
Sie schluckte ungläubig, schüttelte langsam den Kopf und sagte dann zu ihrem Milchhörnchen: "Ja, ja. Was hab ich da nur." Das Hörnchen fand den Weg in den Kaffee, dann in ihren Mund. Kauend nickte sie, schluckte hinunter und beschloss dann: "Gut war's schon, aber so etwas wiederholen? So heute Abend? Nein, danke, vielleicht später mal, obwohl ich glaub ja nicht"

Freitag, 11. März 2016

Traumgesicht

Danach wollte er wieder mit den alten Vögeln abhängen. Motiviert waren seine Schritte. Zur Musik aus dem Kopfhörer wippte sein Kopf. An dem Abend war Internet und Web und Technik angesagt. Es hieß Web Abend. Das hörte sich zwar beruflich an, sollte es auch sein, war es aber in aller Regel nicht so richtig. Vor allem war es umsonst und es gab nach einer Stunde sogar etwas zum Essen. Immerhin traf man sich ja bei einer Steuerberatung, die etwas für das Image tun wollte. Das passte zu dem Stück mit dem gezinkten Karten, das aus dem Kopfhörer kam. Frank musste grinsen. Ja! Den guten Leuten ging es schlecht. Wie immer! Am Ende des Stücks trafen sich der Sänger mit seinen 100 Enkeln im Garten. Frank blieb kurz stehen und musste lachen. Das war doch gar nicht konsistent. Da wurde einer besungen, der in der weiten Welt ein Vermögen machte, zurückkam, eine schöne Frau heiratete und dann mit den Enkeln im Garten saß und mit seinen alten Vögeln feierte. Der müsste ja hundert werden, fiel ihm auf. Bei dem Gedanken beglückwünschte sich Frank. Ein wahrer Softwerker findet sogar Fehler in Hip-Hop Texten. Gut gelaunt setzte er seinen Weg fort.

Samstag, 5. März 2016

Mittwoch

Sie wollte eine Mittwochsfrau werden! Was war denn dabei? Als Nebenher Zeitvertreib wäre ihre Libido versorgt und ihre Freiheit gesichert. Natürlich ginge das nur, wenn es wirklich passte. Obwohl? Was bedeutete schon 'passen'? Eigentlich ginge es ja nur darum, festzustellen, ob er wirklich sauber und hygienisch genug war. Vor allem sollte er nicht stinken, schoss ihr bei der Kontrolle ihres Spiegelbilds durch den Kopf. Sie grinste bei dem Gedanken, zog eine Grimasse und wollte schon zur Tür hinaus, als ihr ihre rechte Hand auffiel. Da fehlte etwas. Als Ehefrau sollte sie einen einfachen Ring am Ringfinger haben. Es sollte zumindest eine Druckstelle zu sehen sein. Sie öffnete die Schublade des Dielenschränkchens und kramte von hinten das Kästchen mit den alten Erinnerungsstücken hervor. Da waren auch Ringe von diversen Verehrern dabei. Es fand sich tatsächlich einer, der auf ihren Ringfinger gedrückt werden konnte. Still schaute sie ihn an. Das war doch der Ring von dem Dings. Nein! Nicht von dem. Wieder lächelten ihre Lippen. Sie setzte doch ein Küsschen drauf und ging hinaus.
Auf den Weg ins Restaurant wechselten ihre Gefühle von Unsicherheit zu Zuversicht. Zum einen war das Treffen nicht das eine, sondern ja nur ein Versuchsballon, der auch schief gehen konnte. Zum anderen war es etwas, das sich dann doch so anfühlte, als wäre sie eine liegengebliebene, notgeile Frauen im mittleren Alter, die etwas für ihre Libido suchte. Das war zwar die Wahrheit, sollte aber verschwiegen werden. Bewusstes Verschweigen lag ihr aber nicht so. Die letzten Meter stellte sie sich den Jungen vor, der ihr den Ring geschenkt hatte. Der wäre bestimmt richtig dick und langweilig geworden. Es war kein Wunder, dass sie etwas frisches und aufregendes suchte!