Samstag, 25. Februar 2017

Regelgerecht

So gerade hatte das noch geklappt! Freudig huschte er durch die sich schon schließende Tür des Fitnessstudios. Er grinste in Richtung Empfangstheke, aber dort war um diese Zeit niemand mehr. Es war ja schon 22 Uhr. Die kleine Blonde, die ihn immer anblaffte, wenn er am Abend durch huschte, war schon gegangen. Das Ding um mit seiner Karte dort einzuchecken, war auch nicht zu sehen. Die spinnen ja eigentlich, ein rund um die Uhr Fitnessstudio, das nach 21:00 keine Aufsicht mehr hatte. Dann müsste er eben irgendwie mit jemanden heraus huschen, beschloss er.
In der Umkleide war niemand. Vielleicht war ja eine Frau vor ihm hinein gegangen. Dann könnte das Nachttraining ja wirklich interessant werden, grinste er, als er seinen Anzug auszog und sorgfältig in dem Spind zusammenlegte. Es waren nur zwei Spinde belegt. Er musste aufpassen, dass er nicht übrig blieb.

Sonntag, 19. Februar 2017

Bier

Puh! Das war geschafft. "Alles" hatte Dagmar auf die Karte geschrieben. Auch diese Geburtstagskarte wurde mit der Hand geschrieben. Das hatte sie immer so gemacht. Sie drehte die Karte um und schaute sich noch einmal den Rocker auf seinen Motorrad an. "75 und immer noch Vollgas" stand darunter. Weiter!
Angestrengt malte sie ein 'G' gefolgt von einem 'u', ohne abzusetzen. Das 't' mit 'e' ging wieder ganz flott. Sie schüttelte ihren Kopf. Noch einmal neu schreiben lernen, wer hätte das gedacht.
Kritisch beäugte sie die ersten Wörter ihrer Wünsche. "Alles Gute" war tatsächlich leserlich. Wie sollte sie nur das kleine 'z' schreiben? Einen kleinen Krakel wollte sie nicht machen.
Die stämmige Frau nahm sich eine Serviette. Angestrengt malte sie ein 'z' in Schreibschrift. Die Schlaufe unter dem Krakel sollte doch ganz deutlich zu erkennen sein.

Freitag, 10. Februar 2017

Der Sohn

Waren das Drachen, die dort hinten flogen? Das musste er sich genauer ansehen. Nur, wie sollte er denn dahin kommen? Es war anscheinend ein Moor vor ihm. Zwar ging dort ein schmaler, geschlängelter Pfad hindurch, aber normalerweise waren solche Wege gefährlich. Und es galt ja ganz gewaltlos zu sein. Ein anderer Weg war aber nicht zu sehen und so ging er langsam in das Moor hinein.
Links und rechts gab es merkwürdige Pflanzen zu sehen. Er versuchte diese einzuordnen. Eine war an den blauen Frauenschuh angelehnt. Hießen diese Orchideen eigentlich so? Von der unteren Ansicht sahen diese herrlich aus. Die dunkelblauen Blüten vor dem hellblauen Himmel passten herrlich zu dem satten Grün der Blätter.
Wenig später waberte die schwarze Brühe an der rechten Seite. Es blubberte richtig. Kam dort etwas herauf? Sollte er warten, bis etwas passiert? Vorne warteten die Dinger, die eben noch ganz klein waren. Mittlerweile waren die näher gekommen. Das war wirklich viel interessanter.
Nach ein paar Minuten sah er wirklich zwei Drachen über dem Moor fliegen. Ihr grüner Panzer passte gut zu dem rosa der Moorblumen. Die beiden spielten oder tanzten wohl? Gab es männliche und weibliche Drachen? Hatten die demnächst Sex?
"Wo bleibst Du denn?", hörte er seinen Begleiter.
"Ich komme schon", rief er und lief schneller.

Samstag, 4. Februar 2017

Nackt

Er sah sie. Auf der anderen Seite der Schlucht stand Asgard, die Burg der Asen. Die Schlucht war, genau wie ihm immer erzählt wurde, von einer farbigen Brücke überspannt. Was hatte das zu bedeuten?
"Heh", hörte er von links und wurde nach rechts gestoßen. Dort war auch ein Widerstand. Er ging nach vorne und fühlte einen Ellenbogen im Bauch.
Als er an sich hinunter sah, sah er nichts. Ein Schatten war dort, wo seine Beine hätten sein sollen. Aber den Schatten konnte er spüren und auch bewegen. Seinen richtigen Körper hatte er auf irgendeinem Schlachtfeld verloren.
"Au", sagte er bei dem Schlag auf dem Kopf. Er drehte sich um und nickte mit seinem Schattenkopf in Richtung eines kaum sichtbaren Gegners. Ein Schmerz von der nicht vorhandenen Stirn, das Geräusch von Knochen auf Knochen und der Aufschrei des Hintermanns, zeigten ihm, dass er wohl seinen Hintermann wirksam getroffen hatte.
So ging es weiter. Von allen Seiten wurde nach ihm gestoßen, getreten und geboxt. Er teilte gleichsam nach den kaum sichtbaren Gegnern aus, bis er schließlich einen Platz gefunden oder erkämpft hatte, an dem er bleiben konnte.
Der Platz vor dem, mit einem Tor verschlossenen, Brückenkopf der Regenbogenbrücke war mit Schatten von gefallenen Kriegern und Helden gefüllt. Sie warteten und, an den Stellen, an denen neue Schatten erschienen, prügelten sie sich. Den Schatten war der Untergang der Sonne egal. Niemand schlief.