Freitag, 30. Oktober 2015

Die Chance

Die Falten in seinem Gesicht glätteten sich, als er sie anlachte. Obwohl eher sie ihn anlachte, ja förmlich ansprang. Er nahm sie mit. Es sollte ein Fastentag werden. Einmal in der Woche wollte er nur eine Mahlzeit zu sich nehmen, in der dann alle Nährstoffe und Mineralien für den Tag enthalten sein sollen. An diesem Mittwoch entschied er sich für eine Ananas. In der Norma auf dem Weg zur Arbeit war eine geschälte und entkernte Ananas im Angebot. Deswegen war er dort. Und als er das Plastikgehäuse mit der gelben Frucht in der Hand hielt, da sah er sie schon von weitem. Aber er schenkte ihr zunächst keine Aufmerksamkeit. Erst als er vor ihnen stand, sah er, dass sie genau die richtige Farbe hatte. Er nahm sie vorsichtig aus dem kleinen Eimer an der Kasse und roch an ihr. Es war ein angenehmer Geruch, von einer bestimmt in einem Gewächshaus gezogenen Rose hätte er anderes erwartet. Sie sollte nur ein Euro kosten und das war sie ihm wert. Zufrieden verließ er das Geschäft. Sein Gang wäre beschwingt gewesen, wenn er das rechte Bein hätte richtig belasten können.

Freitag, 23. Oktober 2015

Der Keller

"Du musst mir helfen. Ich brauche für meinen Auftritt unbedingt neue Schuhe. Die, die ich da hab, die gehen zwar, aber. "
"Moni, immer auf den letzten Drücker"
"Bitte, Du bist meine beste Freundin, meine Stilberaterin. Und es ist so wichtig, dass ich genau die richtigen High Heels bekomme. Sie müssen doch genau zum Kostüm passen. Aber auch nicht zu aufdringlich sein. Weil ..."
"Du? mit richtig hohen Absätzen? Das musst Du üben, sonst ..."
"Das brauche ich gar nicht so richtig können. Ich gehe ja nur in das Meeting hinein und er soll schon merken, dass ich die Dinger nur wegen ihn angezogen habe. ..."
"Halt, halt. Das ist mir zu schnell, tief einatmen und dann in aller Ruhe. Morgen geht es doch um ein ganz langweiliges Kick-Off mit abendlichem Trinken. Jedenfalls war das der Stand letzte Woche. Ich komme in ganz normalen Jeans."
"Du bist auch noch in der Entwicklung. Ich bin im Produktmanagement!"
"Gib nicht so an. Es sind doch nur untere Ränge da"
"Der Juniorchef, von Lautenkirchen, kommt doch auch. Der soll immer auf der Suche nach Ablenkung sein. Und der steht auf hohe Absätze. Knackig, süss und am Abend. Wer weiß."
"Du spinnst, aber morgen Vormittag könnten wir schon ein oder zwei Stunden shoppen. Wir müssen aber vorzeitig da sein, weil zum aufwärmen und einstimmen, du weißt schon."

Freitag, 16. Oktober 2015

Der Stock

"Hallo Schatz, ich bin jetzt an der Station, wie komme ich nun zu Dir?" fragte sie in ihr Handy. Lauschend musterte die junge Frau mit den weißen Turnschuhen den Bahnsteig, ging dann zur Rolltreppe und fuhr hinunter. Ihr Handy war die ganze Zeit an ihrem Ohr. Sie hörte erfreuliches, jedenfalls lachte sie häufig oder sagte etwas wie "ja, genau" oder auch "ich freu mich auf Dich". Unten nahm sie zielstrebig den rechten Ausgang. Auf dem dunklen Platz vor der S-Bahnstation bekam sie große Augen nachdem sie sich in allen Richtungen umgeschaut hatte. In ihr Handy sprach sie leise: "Du, eh, da ist keine Apotheke, da ist nur eine große Strasse". Sie lauschte und sagte dann kopfschüttelnd: "Nee, nee, ich bin in Stadtgrenze ausgestiegen. Du wohnst doch an der Stadtgrenze, so hast Du doch.." Sie lauschte noch eine Weile, ging wieder in die Station, fand den gelben Aushang und dann: "Der nächste fährt in 30 Minuten". Eine Gruppe mehr oder weniger alkoholisierter Nachtschwärmer kam in die Station. "Kann ich nicht einfach zu Fuß gehen? Ist ja nur eine Station" schlug sie ihrem Handy vor. Mit "Schön, gut, also ich pass schon auf und Du kommst mir entgegen. Dann kann ja nicht passieren. Und wenn, ich lauf doch schnell. Hab Dich Lieb!" schloss sie das Telefonat ab. Sie verstaute das Handy in ihre kleine, schwarze Lederhandtasche und ging zum rechten Ausgang. Auf der großen Strasse war um diese Uhrzeit wenig los. So ging sie in der milden Sommernacht mit festem Schritt nach links.

Samstag, 10. Oktober 2015

Der Plan

In der Bahn zum Büro hörte er auf seinen Ohrhörern etwas von diesem Weg, der ein harter Weg werden würde. Er schaute aus dem Fenster und träumte. Wie ein Boxer vor einem Boxkampf fühlte er sich. Obwohl er sich für das Treffen keine Rolle im Rampenlicht des Chefs vorgenommen hatte, würde er versuchen einen weiteren Schritt zu seiner Beförderung zu machen. Demnächst würde das Referat 209 eröffnet. Der Leiter würde intern besetzt werden. Neben ihm kamen von Breitenstein und Lojewsky in Frage. Die Qualifikation hätte Lojewsky, die Verbindungen von Breitenstein. Er selbst hätte die nur Dienstjahre. Wenn er nichts machen würde, würden sie ihn noch einmal übergehen. Es galt an Beine zu pissen, ohne als Pisser da zustehen. Er lachte bei dem Gedanken. Wie gut er das doch formuliert hatte. Es traf die Situation genau. Zunächst sich kleinmachen und abwarten. Das ist nie verkehrt und hält Optionen offen. Ob von Breitenstein als erster etwas auf den Tisch legt? Ihn in jedem Fall unterstützen. Wenn er das nicht machte, hätte er die Verbindungen von Breitensteins gegen sich. Später dann Lojewsky helfen, von Breitenstein aus einander zu nehmen.

Freitag, 2. Oktober 2015

Monster

"Wer ist denn da?" fragte die Stimme aus dem Lautsprecher.
"Klausi sei nicht albern, schau mal. Ich bin's" die jung gebliebene Frau mit den langen blonden Haaren lächelte in die kleine Kamera über dem Lautsprecher.
"Eleni? Jung siehst Du aus" lachte es daraus. Dann summte die Tür und sie konnte hinein. Auf dem Weg zum Aufzug betrachtete sie nachdenklich die Postfächer. Ganz kurz schaute sie zu dem Fach ganz rechts oben. Auf dem Schild war der rechte Teil abgeklebt. Links stand "K. Meyer/". Sie lächelte und schob ihren Daumennagel unter der linken Ecke des Aufklebers. Vorsichtig zog sie ihn hoch, bis sie das "E. Happelt" las. Nickend drückte sie den Aufkleber wieder zurück. Tänzelnd ging sie zu den Aufzügen und forderte einen nach oben an. Es kam der linke, eher langsame Aufzug. Sie stieg ein, drückte den obersten Knopf und kontrollierte während der Fahrt ihr Aussehen. Ihr Lächeln war einwandfrei! Und die Bluse stand ihr ausgezeichnet. Sie hob ihre Brüste mit beiden Händen kurz hoch, grinste nickend ihrem Spiegelbild zu und gab ihm ein Luftkuss.