1
Er
war der zweite von den Gästen. Der Heinz sprach schon mit einem unbekannten
Kollegen.
“Hallo
Herr Sellger”, grüßte Erwin, obwohl sie sich seit Urzeiten kannten. Der Anlass
war schließlich beruflich.
“Hallo
Erwin, das ist der junge Herr von Lovetzski, Herr von Lovetzski, das ist der
Herr Meierfelder.”, vergaß Heinz alle Förmlichkeiten.
“Erwin”,
er streckte seine Hand aus. Der unbekannte Kollege griff sie und antwortete mit
“Thomas”. Ingenieure waren immer per ‘Du’, so gehörte sich das einfach. Nur die
Ingenieure, die auf Seiten des Kunden befördert wurden, die Aufträge vergaben
und die Teams zusammen stellten, waren irgendwann eher per ‘Sie’.
An
dem Abend wurde der erfolgreiche Abschluss des Projekts gefeiert. Es kam noch
weitere Kollegen hinzu. Die Gesellschaft traf sich in einem Gourmetlokal auf
der schweizer Seite. Heinz war ein Spezialist in der Auswahl solcher Lokale.
Nach
dem Aperitif, sollten die Speisen bestellt werden. Der Herr von Lovetzski schaute
auf die Uhr und sagte: “Also, ich kann dann nur eine Vorspeise nehmen. Ich muss
ja dann noch den Zug bekommen.”
Heinz
protestierte: “Aber, aber. Das geht doch gar nicht. Sie müssen hier das
Felchenfilet in Mandelbutter probieren. Und dann erst der Nachtisch. Der Erwin,
nicht wahr?”, drehte er sich zu Erwin um: “Du fährst ihn doch gerne.”
Erwin
nickte.
“Sehen
Sie, der Herr Meierfelder, der Erwin, der kann Sie fahren. Sie bleiben nun
hier. Oder haben Sie etwas vor?”
“Echt,
würdest Du das machen?”, fragte von Lovetzski.
“Ja,
klar. Ich trinke ja nicht und vor Mitternacht schlafe ich sowieso nicht. Da
kann ich Dich auch fahren. Ist überhaupt kein Problem”, sagte er zu.
Die
Feier nahm den üblichen Verlauf. Es wurde elf Uhr bevor Erwin mit Thomas
losfahren konnte.
“Wo
geht es hin?”
“Nach
Neustadt. Direkt in der Innenstadt. Am Besten nimmst Du die Autobahn und dann
...”
“Nein,
nein. Das ist doch ein Umweg. Über die Landstrasse ist das viel kürzer. Ich
fahre ja sowieso nur 100”.
Und
so fuhren sie gemächlich die nächste Stunde durch den Wald. Anfangs
unterhielten sie sich über den Abend und das Essen. Dann kam Erwin auf ein
Thema, von dem er nicht so richtig wusste, wie er das ansprechen sollte.
“Sag
mal Thomas. Du warst doch bei der Architektur des ganzen Projekts beschäftigt.
Jedenfalls stand dein Name immer bei den Dokumenten.”
“Ja,
klar, das ist alles auf meinen Mist gewachsen. Obwohl man sich ja nie selber
loben soll.”
“Das
machst Du alle so vom Homeoffice aus, nicht wahr? Schon toll. Wie geht es bei
Dir weiter?”
“So
etwas ähnliches mache ich nun bei der CTM. Die brauchen fast dasselbe, nur ein paar Anpassungen. Weißt Du …” Thomas
fachsimpelte eine Weile herum. Erwin war das mit der CTM schon klar. Er sollte
nur klären, ob was für seine Firma dort zu holen war.
“Wenn
Du das so übernimmst, dann könnte da meine Gruppe ja auch mitmachen.”
“Ich
mache da nur den Gesamtrahmen. Die Aufträge, die kommen dann in ein paar
Monaten.”
“Ah,
ja”, Erwin wusste das alles schon. Warum konnte er nicht einfach die Provision
anbieten, wie sich das gehörte? Normal machten das doch alle. Erwin sprach vom
Urlaub und von Hobbies. Seines war das Beobachten und Fotographieren von
Vögeln. Obwohl soviel Zeit hatte er gar nicht dafür. Thomas hörte sich das
alles geduldig an. Irgendwann gähnte er. Die beiden schwiegen eine Weile.
“Also
vermutlich kommen die Aufträge gar nicht für Euch.”, sagte Thomas unvermittelt.
“Wie?
Warum? Jetzt schon klar?”
“Ungarn
können das auch anpassen. Die sind billiger. Viel billiger. Da bleibt dann noch
etwas liegen.”, grinste Thomas.
“Es
muss immer etwas liegenbleiben. So ist das.”, gab Erwin ihm Recht. Dann war das
also geklärt. So war das eben im Geschäft. Es ging immer um billig und doch
fertig werden. Sie kamen in Neustadt an. Erwin machte das Auto aus.
“Wir
sind aber noch nicht da”, bemerkte Thomas.
“Es
ist rot und das spart Sprit.” Erwin schaute in ein entgeistertes Gesicht. “Das
habe ich mir so angewöhnt und es macht sich wirklich bemerkbar”, fügte er
hinzu.
Auf
dem Rückweg ging Erwin den Abend durch. Heinz hatte es mal wieder richtig
krachen lassen. Vermutlich war es ja sein letztes, grosse Projekt. In seinem
Alter ging er schon bald in Rente. Der Thomas hatte das alles noch vor sich.
Und der war schon so clever beim Zuschnitt eines Projekt daran zu denken, wie
für ihn ‘etwas liegen blieb’. Wenn Ungarn die Arbeit machten, brauchten sie nur
fünf bis zehn Prozent billiger angeboten zu werden. Der Kunde würde sich
freuen, die Ungarn bekommen die Hälfte. Das macht dann vierzig Prozent, was so
‘liegen blieb’. Mit dem Geld war auch die Zustimmung des Kunden kaufbar. Es
blieb dann immer noch etwas liegen. Technisch war ja wirklich schon alles
gemacht, nur ein paar Anpassungen gab es zu programmieren. Das konnte der
Thomas auch alleine machen. Erwin schüttelte lachend den Kopf. Die Jugend von
heute, dachte er.
Langsam
kam er in sein Wohnviertel an. Um die Zeit waren alle Parkplätze besetzt. Er
nahm unten den Parkplatz am Schwimmbad und ging dann den Weg zu Fuß zurück. Wie
still die Straße um diese Zeit doch war. Alles war dunkel. An dem Haus mit der
Skulptur in der Ecke, bog er nach links ab. Es war das zweite Haus in der
Reihe.
Erwin
schaut kurz in den leeren Briefkasten. Er schloss auf. Rechts stand ein neuer
Kinderwagen. Es war ein richtig moderner Kinderwagen, mit beweglichen Rädern.
So konnte man auf kleinstem Raum drehen, bemerkte er.
Die
Stufen zum Hochparterre waren aus Stein. Danach zog Erwin die Schuhe aus und
schlich die restlichen Stufen nach oben.
2
Erwin
wartete in der Ankunftshalle. Der Flug aus Lwiv hatte zwei Stunden Verspätung.
So blieb ihm nicht genug Zeit um wieder Heim zu fahren. Etwas zu Lesen hatte er
nicht dabei. Dazu war er auch viel zu aufgeregt. Sie sollte ankommen. So war es
jedenfalls ausgemacht. Er fand sich auf einer Bank auf der Aussichtsterrasse
wieder und sah den startenden und landenden Fliegern zu.
Wie
konnte ihm das passieren? Sein ganzes Leben hatte er nie etwas mit Frauen oder
Mädchen gehabt. Und dann, in seinem Alter, etwas mit einer angefangen, die
seine Tochter oder auch seine Enkelin sein könnte. Er rechnete nach. Enkelin
wäre tatsächlich möglich. Die anderen kamen damals ja alle zum Schuß. Obwohl so
genau wusste er das gar nicht. Jedenfalls die, die er kannte, damals, die
hatten doch alle. Da war er sicher. Nur bei ihm wurde vor vierzig Jahren eine
ganz andere Richtung eingeschlagen.
Er
erinnerte sich wieder an das Feier nach der Jugendweihe. Fünfzehn war er gerade
geworden. Es gab Geschenke und die Feier bei den Pionieren und dann danach in
der Familie. Das Kindsein war beendet. Der Opa versuchte ihm das Rauchen
beizubringen. Wie schlecht ihm von der Zigarre war. Das hatte ihn vom Rauchen
überhaupt weggebracht. Warum hatten sie ihn nicht einfach noch Kind sein
lassen? Vielleicht hätte er dann angefangen zu rauchen. So gesehen war es ganz
gut, dass er damals zum ersten und letzten Mal geraucht hatte. Aber das mit dem
Mann werden, das ging wirklich voll daneben.
Wie
üblich wurde alles durch organisiert. Vom Biologieunterricht war die Theorie
schon bekannt. Die Praxis sollten die angehenden Männer und Frauen gemeinsam im
Verlauf einer Feier üben. Selbstverständlich war das offiziell nicht so
gedacht. Aber im Verlauf der Jugendweihen war es so üblich, dass danach
normalerweise jeder auch die Praxis kannte. Offiziell sollte die Jugend tanzen
und trinken. In seiner Pioniergruppe sprach Gabi, die Vorsitzende, das Thema
Praxis offen an. Wer Praxis hatte, sollte sich melden und vortragen, wie es
war. Es meldeten sich ein paar Vorwitzige, die aber nur herum alberten. Also
wurden Paare zugewiesen. Gabi war der Meinung, dass es beim ersten Mal sowieso
egal war, mit wem das war. So könnten sie auch losen oder nach dem Alphabet
sich aufstellen. Losen hätte Papierschnipsel bedeutet. Sie gingen lieber nach
dem Alphabet. So war das gerecht. Dann blieben, die noch nicht hätten, auch
nicht zurück, sondern würden eine Gelegenheit bekommen, einen
Entwicklungsschritt zu vollziehen.
Erwin
hatte erwartet, dass jedes Paar sofort loslegen würde. Ihm war die rundliche
Rosa zugeteilt. Sie lachte über alle vier Backen, als sie ihm gegenüberstand.
Aber es sollte im Verlauf eines Tanzabends im Kulturzentrum passieren. Zunächst
sollte in der Jugenddisco getanzt und getrunken werden. Wenn ein oder mehrer
Paare in Stimmung waren, konnten sie sich in einem der Gruppenräume, die, aus gegebenen Anlass, mit
Matratzen bestückt waren, zurückziehen.
So schlug Gabi es vor und der Rat hatte nichts dagegen. Die Jugend
sollte so organisiert erwachsen werden. Gabi bekam eine Empfehlung für ihren
Einsatz.
An
dem Abend drückte ihn Rosa aufgeregt. Ihre Brüste, die richtig groß waren,
drückten sich platt. Ihren Mund presste sie auf seine und sie versuchte ihre
Zunge in seinen Mund zu stecken. Er fand das nicht so toll, ließ es aber
geschehen. Karl klopfte ihm auf die Schulter. “Heute wird das was”, sagte er.
In der Disco lief etwas von den Puhdies. Gehüpft und gewackelt wurde zu der
Musik. Einige konnten richtige Tanzschritte. Erwin stand mehr so herum. Bei den
leiseren Stücken legte Rosa ihre Arme um seinen Hals, e legte seine Hände auf
ihren runden Arsch. Das fühlte sich gut an.
An
der Bar gab es Bier, Wein und Wodka. Rosa wollte Wein trinken. Er probierte ein
Glas und brachte es halb herunter. Dann hatte er ein Glas Bier in der Hand.
Rosa erzählte irgendeinen Witz. Die Gruppe lachte und jemand stieß ihn an. Das
Bier tränkte seinen Hemdsärmel. Zunächst machte ihm das gar nichts aus. Es
wurde gelacht und die Gläser geleert. Zurück auf der Tanzfläche wurde er ein
wenig mutiger. Die Tanzschritte von Klaus konnte er aber gar nicht kopieren.
Beim nächsten Plattenwechsel wollten sie wieder an der Bar etwas trinken, da
roch er den Gestank von Bier an seinem Ärmel.
“Ih,
das stinkt”, sagte er.
“Dann
sollten wir ablegen”, meinte Rosa, griff seine Hand und zog ihn in Richtung Gruppenräume.
“Auf
geht’s Erwin!”, hörte er von hinten rufen. Wer war das eigentlich gewesen?
Damals traute er sich nicht, sich umzusehen. Er würde es schon schaffen, dachte
er, als er mit Rosa und aufgeknöpften Hemd in einen Gruppenraum trat.
Auf
der Matratze war ein Paar aktiv. Ein nackter Arsch hob und senkte sich. Unten
war das rote Gesicht von Lena. Rosa sah begeistert zu. Erwin schluckte. Der
Junge, es war Klaus, rief “Ja” und dann hob sich der Arsch nicht mehr.
“Endlich”,
sagte Lena, als Klaus von ihr rutschte. Klaus zog seine Hose hoch. Lena
schlüpfte in ihren Slip. Die beiden standen auf und verabschiedeten sich mit
einem “Nun, ihr”.
Rosa
zog ihren Slip aus und legte sich mit gespreizten Beinen auf die Matratze.
“Komm schon! Hose herunte!”, sagte sie. Er öffnete diese und ließ herunter.
Sie
meinte: “Der muss ganz hart werden. So richtig, wie ein Stöckchen. Mach schon.”
Wie
er das machen sollte, war ihm nicht klar.
“Dann
helfe ich Dir mal.”, sagte sie und griff nach dem, was ihm hing. Sie massierte,
drückte und rubbelte, aber nichts tat sich. Als sie es in den Mund nehmen
wollte, zog er es zurück.
“Na,
ja. Du bist eben noch nicht soweit. Und für mich ist nicht so wichtig. Ich habe
schon öfter”, sagte sie.
Ihm
kamen Tränen. Sie stand auf und umarmte ihn. Ihre Brust drückte sich wieder
platt, dann sagte sie: “Das macht doch nichts. Ich sag es nicht weiter”.
Er
zog seine Hose wieder hoch, sie ihre Slip. Aber dann meinte sie noch: “Besser
wir sehen wenigstens so aus.” Sie verstrubbelte ihre und seine Haare, dann
atmete sie schnell ein und aus, rief: “ja, ja” und dann noch “puh.”
Als
er mit ihr dann herauskam, klopfte ihm Klaus auf die Schulter. Wodka wollte er
mit ihm trinken. Aber er brachte nur einen Tropfen herunter.
Seitdem
hatte er ein Problem mit Alkohol und Frauen. Trinken wollte er nicht mehr.
Keinen einzigen Schluck hatte er all die Jahre getrunken. Um Frauen machte er
keinen Bogen. Er ging ihnen nicht aus dem Weg. Sie waren einfach nur nicht
anziehend für ihn. Anfassen, Küssen war kein Thema. Das war alles vermischt mit
dem Erinnerung von einer Rosa, die einen Steifen fordert und nicht bekommt.
Noch einmal solch einen Eindruck zu machen, wollte er nicht. Damit kam er gut
zurecht. Zumal er sich einredete, dass der Erfolg von Klaus eigentlich auch
keiner war, weil Lena wohl nichts davon hatte. Warum sollte so etwas überhaupt
gemacht werden? Laut Biologie ging es darum Nachwuchs zu machen. Menschen gab
es aber schon genug, sagte er sich. Vierzig Jahre lebte er so ohne Frau und
Alkohol.
3
Vierzig
Jahre später schaute er in seltsam grauen Augen. Sie waren nicht so richtig
grau, sondern hatten noch eingesprenkelte gelbe Pigmente, die ihnen etwas
katzenhaftes haben. Das Mädchen, das ihm das Wasser in der Gaststätte in Lwiv
brachte, hatte diese Augen. Sie war das erste weibliche Wesen, das er
interessiert und unbefangen anschauen konnte. In Lwiv sollte er in einem
Rechenzentrum die Software parametrieren. Es waren nur vier Wochen. Wie immer
bei solchen Einsätzen suchte er sich eine Gaststätte aus, die Platz genug bot,
so daß er gemütlich mit Wasser und Buch den Abend verbringen konnte. Er war am
liebsten in Gesellschaft alleine. Gleich am ersten Abend bediente sie ihn. Am
nächsten Abend setzte sie sich am Ende der Schicht, kurz bevor die Gaststätte
absperrte, noch zu ihm. Ihr Deutsch hatte diesen warmen, gedehnten Akzent. Er
hörte ihr gerne zu und erzählte auch von den Schwierigkeiten in seinem Projekt.
Das ging bis weit in Nacht. Leider verpasste sie die Straßenbahn zur
elterlichen Wohnung.
“Kann
ich doch mit Dir schlafen. Bitte”, sagte sie.
“Bei
mir”, verbesserte er. “Es heißt bei mir. Weil mit mir schlafen”, lachte er, “
ist ganz etwas anderes.”
Sie
lächelte offen. Wie schön sie lächelte. An den Wangen hatte sie ganz kleine
Grübchen beim Lächeln. Dabei zogen sich ihre Augen an den Aussenseiten zusammen
und die gelben Pigmente im grau ihrer Augen schienen zu leuchten. Das kam
vermutlich von den Wimpern die sich mit den Lidern senkten.
“Du
kannst in meinem Bett schlafen. Im Zimmer gibt es noch ein Sofa, da werde ich
schlafen.”, bot er an.
Er
schlief doch mit ihr und lernte, wie dieser Klaus sich vor vierzig Jahren
gefühlt haben musste. Glücklich schlief er ein. Am morgen schämte er sich, als
er das Kind im Bett neben sich vorfand. Mit ihren gerade mal zwanzig Jahren,
hätte sie sogar seine Enkelin sein können. Er war doch viel zu alt für sie.
Vielleicht
war sie ja eine Prostituierte? Davon hatte er gehört. Immer mal wieder
bezahlten Kollegen auf Projekt für die Weiber, die ja, aus irgendeinem Grund
nötig waren. Wieviel sie bezahlten, wusste er nicht. Im Film hatte er mal
gesehen, dass die Männer einfach Geld auf den Tisch legen und gehen. Aber es
war sein Zimmer. Wie sollte er ihr wieviel Geld geben?
“Mein
Lieber”, sie wurde wach, strahlte ihn an und schon spürte er ihre Lippen auf
seinen.
Die
beiden standen dann später auf. Sie war wirklich nur an ihn interessiert. Zwar
bezahlte er ihre Frühstücke und auch die Nächte im Hotel wurden ein klein wenig
teurer, aber das war auch alles.
Diese
vier Wochen in Lwiv vergingen wie im Flug. Zum Abendessen trank er mittlerweile
sogar den abgelehnten Wodka.
Kaum
war er wieder glücklich in Deutschland, rief er sie an. Nach einer Woche
abendlicher Telefonate war ausgemacht, dass sie an seiner Seite gern gesehen
war. Sie wollte auch kommen, er sollte nur die Sache mit den Behörden machen.
Auf
dem Bürgeramt wurde er merkwürdig behandelt. Eine mürrische Beamtin saß ihm
gegenüber.
“Ein
Visum für ihre ukrainisch Freundin auf Einladung. Das geht nicht. Da müssten
sie heiraten, mit allen Rechten und Pflichten. Wollen Sie das wirklich?”
Erwin
schluckte. An Heirat hatte er nie gedacht. Die Beamtin wollte ihn schon
verabschieden, als er sich entschloß:
“Ja!
Das will ich wirklich! Ich weiß in meinem Alter ist das merkwürdig. Und
bestimmt rät mir auch jeder ab. Aber es muss einfach sein. Wie mache ich das
nun?”
“Sie
wissen schon, dass ihre Frau mit der Heirat die gleichen Rechte bekommt, wie
eine deutsche Frau?”
“Natürlich,
warum?”
“Wenn
Sie wüssten, was hier alles vorbeikommt. Es verlieben sich die
unterschiedlichsten Typen in ausländische Frauen. Manche meinen ja, wenn sie
ihnen gefällt, dann könnten sie ihr Mitbringsel einfach wieder zurückschicken.
Aber dem ist gar nicht so. Wenn die Frau erst mal hier lebt, bekommt sie die
gleichen Rechte wie eine deutsche Frau. Dann ist das keine mehr, die sich
einfach unterordnet. Das sollten Ihnen bewusst sein.”
“Was
denken Sie denn von mir? Ich würde doch nie.”, Erwin wusste nicht so richtig,
wie er antworten sollte. Ihm kamen die Tränen. Die Beamtin schüttelte nur den
Kopf. “Vielleicht sind sie ja die Ausnahme. Kann ja sein. Das würde ich mir
dann aber im Kalender eintragen.”
Sie
gab ihm die Formulare.
“Ihre
zukünftige Frau muss dann noch in Lwiv den Nachweis der deutschen Sprache
machen. Sie soll das dann bitte Ernst nehmen, da sind andere schon
durchgefallen. Und wenn man durch einen Test einmal durchfällt, dann ist die
Wiederholung um so schwieriger. Da haben wir schon Sachen erlebt.”
Seine
Aufgabe war mit dem Ausfüllen der Formulare recht einfach und preisgünstig. Bei
Elena war die Sache um einiges aufwändiger. Sie musste einen Kurs besuchen, in
dem sie sich auf den Test vorbereitete. Dann galt es ihre Papiere zusammen zu
stellen. Neben ihrer Geburtsurkunde, die nicht direkt aufzutreiben war, sollten
ja auch ihre Schulzeugnisse übersetzt und anerkannt werden. Auch eine ärztliche
Untersuchung war notwendig, damit die deutsche Ehe auch in der Ukraine
anerkannt würde. Alle diese Vorgänge nahmen etliches an Zeit und auch Geld in
Anspruch. Gebühren mussten über den Tisch gegen Quittung, die er eventuell von
den Steuern absetzen konnte, bezahlt werden, aber auch unter dem Tisch ohne
Quittung bezahlt werden. Zum Glück war sie bald in Deutschland. Dort gab es
nicht solche allgegenwärtige Korruption.
Zunächst
wollte sie ja mit dem Bus fahren. Einen ganz Tag und eine ganze Nacht würde sie
im Bus sitzen. Für Erwin kam das gar nicht in Frage. Er fragte im Sekretariat
nach der Flugverbindung, mit der er geflogen war und buchte ein Ticket. Das war
zwar doch recht teuer, aber sein Mädchen im Bus ging gar nicht. Mit wem hätte
sie da fahren müssen. Es war auch schon alles abgemacht, aber dann passierte
die Sache mit den Eltern. Vom Flughafen rief Elena an. Das Ticket verfiel.
Erwin
organisierte dann den Billigflug. Der kostete nur ein wenig mehr als der Bus,
dafür musste er nun warten.
Zum
Glück stand der eiserne Vorhang nicht mehr. Elena hatte einen Reisepass und
konnte reisen. Davor war das vollkommen unmöglich. Niemals hätte jemand aus
Westdeutschland ein Mädchen aus der Sowjetunion so einfach innerhalb von ein
halben Jahr nach Westdeutschland heiraten können. Das war damals vollkommen
unmöglich. Eventuell wäre es mit einem Ostdeutschen möglich gewesen. Aber dazu
hätte Erwin in der DDR bleiben müssen.
4
Wie
hieß dieser Schwede noch, wegen dem er das Arbeiter- und Bauernparadies
verließ? Bestimmt war es irgendeinson. Jedenfalls kam er aus Linköping. Erwin
vergaß dieses Detail nicht, weil der Schwede es immer betonte. Dieser mochte
wohl seinen Arbeitsplatz dort. Seltsamerweise konnte sich Erwin noch an die
Frisur, hochgekämmt, und an die Hornbrille erinnern. Damals 1984 saßen sie in
jeder Konferenzpause auf der Terrasse vor dem Hotel und erzählten sich Geschichten
aus Wissenschaft und Technik. Erwin war Teil einer Delegation aus Dresden. Der
Schwede hatte einen internationalen Konferenzbesuch in dem Jahr noch zu
absolvieren. Da bot sich ein Aufenthalt am Goldstrand in Bulgarien an. Das
Thema der Konferenz war “künstliche Intelligenz”. Es kamen aus aller Welt
Informatiker, Mathematiker und Philosophen zusammen um die Ergebnisse der
damaligen Forschung zu präsentieren. Osteuropäische Ergebnisse konnte es nur im
theoretischen und philosophischen Bereich geben. Trotzdem nahmen Delegationen
aus dem Osten auch an der Konferenz teil. Computertechnik war militärisch
interessant und so wurden Forscher und Wissenschaftler, wenn sie linientreu
waren, zusammen mit einigen Geheimdienstler
nach Varna geschickt. Erwin war linientreu.
So
hatte er auch nichts dagegen einem Kommilitone aus Berlin zu helfen. Auf dem
Hinflug nach Varna saß dieser neben ihm und sah, wie Erwin in einem englischen
Handbuch las.
"Das
ist englisch? Nicht wahr. Was ist denn das?”
“Das
ist eine Manual von Pascal aus Zürich. Vielleicht können wir das demnächst auf
unserem zx20 nachbauen. Das kommt von meinem Professor und sollte jemand …”
“Kannst
Du auch sprechen?”
“Bestimmt
ein wenig. Wieso?”
“Du
kannst mir helfen. Ich möchte Leute aus dem Westen kennenlernen. Aus der BRD
ist nicht interessant. Englisch kann ich nicht. Kannst Du nicht? Erzählst mir
dann, wer was und so weiter.”
“Ministerium
für Staatssischerheit?”
“Natürlich
nicht. Sehe ich so aus? Die Verteidigung unseres Vaterlands ist unser aller
Pflicht. Oder etwa nicht? Gerade in diesen Zeiten. Die stationiieren immer mehr
Raketen in der BRD und hast schon von SDI gehört? Da wollen die Amis die Atomraketen abschießen. Dann können die
uns plattmachen. Ich habe da Kontakte und die freuen sich, wenn ich etwas über
englische Teilnehmer erzähle. Ich würde Dich natürlich erwähnen.”
Das
war ein Angebot, das Erwin nicht so richtig ablehnen konnte und auch gar nicht
ablehnen wollte.
So
nahm Erwin als einziger der Delegation am Büffet zur feierlichen Eröffnung der
Konferenz teil. Hier trafen sich die Professoren, Topforscher, Spione und
Industrievertreter. Es waren etwa dreißig Besucher, die an dem hufeisenförmig
aufgebauten Tisch sassen und auf die Worte des Konferenzleiters warteten.
Zunächst kamen Kellner, die die Sektgläser füllten. Erwin nahm Orangensaft pur.
Dann redete erst der Konferenzleiter in amerikanischem Englisch, dann der
Vertreter der bulgarischen Informatikgesellschaft in russischem Englisch, das
niemand so richtig verstand. Nach dem allgemeinen Prost mit anschließendem
Leeren der Sektgläser, bekam jeder einen Teller Suppe mit einem Ei in einem
Eierbecher. Erwins Nachbar, der Schwede, nahm das Ei, untersuchte es und wollte
es am Tisch aufschlagen. Zum Glück sah Erwin das und unterbrach ihn. Er legte
seine Hand schnell unter den Arm des Schweden, so daß das Ei unversehrt blieb.
In den fragenden Blick des Schweden sagte er: “See me”. Dann nahm er sein Ei,
schlug es an dem Eierbecher auf und leerte es darin. Es war roh. “Look”, sagte
er zum Schweden. Dieser atmete hörbar aus. Auf dem Tisch wäre das nicht so gut
gekommen.
Erwin
leerte den Eierbecher in die Suppe, rührte um und das Eiweß und -gelb flockte.
Der Schwede nickte, stellte sich vor “...son from Linköpping” und so lernten
die zwei sich kennen.
Seinem
Kommilitonen teilte er den Erfolg mit. “Linköpping? Das ist toll, bleib da
dran. Da ist auch schwedisches Militär”.
In
den Pausen der Konferenz ging Erwin mit dem Schweden zur Terrasse. Die beiden
tranken dort ihren Kaffee, sahen auf den Strand herunter und der Schwede
erzählte seine Geschichten. Meistens waren es Anekdoten aus einem Science
Fiction Roman, der vom Ende der Zeit und dem Anfang des Universums handelte.
Groteske Situationen wurden dort geschildert. Erwin kommentierte diese
Anekdoten so gut sein Englisch eben reichte.
Das
einzige mit militärischer Relevanz, das der Schwede erzählte, war die
Geschichte eines schwedischen Piloten, der von Linköping über die Ostsee in da
Baltikum flog, dort umdrehte und wieder zurückkam. Das war für den Schweden der
praktische Beweis, dass die Flugüberwachung auf allen Seiten gespielt war. Wenn
einer in einem Propellerflugzeug so etwas machen konnte, war es mit der
Flugabwehr nicht weit her.
Weil
er aber seinem Kommilitonen Nachrichten versprochen hatte, dichtete er einfach
einiges militärische hinein. Der Kommilitone war begeistert.
Zum
Flughafen fuhr Erwin dann mit den höherrangigen Teilnehmern in einem extra Bus.
Mit dem Schweden fand er sich in der Bar vor den Gates wieder. Es galt Abschied
zu nehmen.
Der
Schwede bestellte zwei Cocktails. Erwin schüttelte nur den Kopf. Er bekam dann
ein Wasser. Der Schwede trank erst den einen, dann den anderen Cocktail. In
Schweden könne er sich so billig nicht betrinken, sagte er. Alle Schweden
würden das so machen. Am letzten Tag, kurz vor dem Heimflug, wurde immer
getrunken. Erwin stellte fest, das einiges an Alkohol in den Schweden hinein
ging.
Erwin
hörte aus dem Lautsprecher “Frankfurt boarding”. Der Schwede stand auf und ging
zum Gate. Er war einer der letzten, die durchgelassen wurden. Sie winkten sich
kurz zu, dann bemerkte Erwin die Tasche auf dem Boden. Diese Tasche hatte der
Schwede doch dabei. Entschlossen nahm er die schwere Tasche hoch und rannte zum
Gate. Die Tasche war ganz schön schwer, er musste mehrfach die Hand wechseln.
Ganz außer Atem kam er beim Gate an. Die Stewardessen grinsten nur über den
verspäteten Passagier. Sie bedeuteten ihn
schneller zu sein und er kam im Flieger an. In der Mitte saß schon der
Schwede alleine in seiner Reihe. Gerade als Erwin ihm die Tasche reichte,
schlossen sich die Türen und die Stewardessen gingen durch die Reihen und
kontrollierten, ob jeder angeschnallt war.
Erwin
saß sich auf den Sitz neben dem Schweden. Er sagte: “Ich bin hier verkehrt, ich
muss hier raus.”, aber die Stewardess schien ihn gar nicht zu verstehen. Zuviel
Aufheben wollte er nicht machen. Irgendwie würde er schon nach Dresden
zurückkommen.
5
“Willkommen
im Westen”, begrüßte ihn der Beamte bei der Passkontrolle in Frankfurt.
“Willkommen
ist gut. Ich bin hier verkehrt. Ich habe einem Kollegen nur seine Reisetasche
hinterhergetragen. Aber da gingen schon die Türen vom Flieger zu und ich bin
dann hier heraus. Was mache ich hier? Mein Gepäck ist in Sofia. Und meine Leute
in Dresden.”, erklärte Erwin.
“Jetzt
holen Sie erst einmal ihr Begrüssngsgeld
holen, dann haben sie mal eine harte Währung. Gibt es weiter vorne neben dem
Zoll. Da können Sie ja dann weitersehen.”
Erwin
fand das Büro. Ihm wurde das Begrüssungsgeld ausgezahlt und in den Ausweis
eingetragen.
“Sie
wollen tatsächlich wieder zurück?”, fragte die Dame.
“Was
denn sonst?”
“Sie
sind doch ohne Ausreisegenehmigung im Westen. Das ist doch drüben strafbar. Und
wäre es da nicht besser Sie bleiben einfach hier?”
“Kann
ich das so einfach?”
“Sie
sind doch Deutscher. Hier in Hessen kommen die Flüchtlinge nach Gießen in die
Erstaufnahme und dann geht das alles seinen Gang. Wie sie zurückkommen, mit den
30 Mark müssten Sie schon selber organisieren. Das wüsste ich nicht, wer das
organisiert.”
Erwin
wusste das auch nicht. So fand er sich in Gießen wieder.
Er
füllte geduldig die Formulare aus. Seine Ausbildung wurde gar nicht anerkannt,
aber er hatte die Möglichkeit das Abitur nachzuholen und dann zu studieren.
Zunächst machte er das auch. Aber dann sah er eine Anzeige “Pascal Berater
gesucht” in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es stand dort etwas von
Programmierung in Pascal und flexiblen Arbeitseinsätzen. Er beschloss dort
einfach anzurufen.
“Hier
Sellger, wer spricht”
“Meierfelder,
Erwin. Ich rufe wegen der Anzeige an.”
“Wie
geht es Pascal?”
“Bitte?
Ich wollte programmieren. Und Pascal …”
“ist
eine Programmiersprache. Super. Sie glauben gar nicht wieviele hier anrufen,
die das nicht wissen. Was haben Sie denn so gemacht?”
“Noch
nicht soviel. Ich sollte das an unserem Institut nachbauen. Aber nun hier im
Westen.”
“Ah,
jemand aus dem Osten. Wir sollten uns Treffen”, lud der Sellger ein.
Sellger
war fragte Erwin etwa eine Stunde aus, dann bot er ihm eine zunächst
freiberufliche Tätigkeit an. Er würde ihn zu Kunden schicken und dann das
Honorar teilen.
“Und
das soll ich so einfach können?”, fragte Erwin.
“So
wie Sie, ach ich bin der Heinz”, hielt ihm Herr Sellger die Hand hin. “Erwin”,
griff er zu.
“Also
Erwin, Du liest da die Manuals und machst dann das Beste. Bei Problemen rufst
Du an und dann wuppen wir das schon. Mit Computer kennen sich die Kunden doch
auch nicht so genau aus. Einfach nur durch. Das klappt schon. Ich melde mich
sobald ich etwas hab.”
Nach
ein paar Tagen war es soweit.
“Also
Erwin, das ist ganz einfach. Datenbank sagt Dir was?”
“Ja,
da gibt es doch die IMS und …”
“Prima,
so ist das gut. Dein erstes Projekt besteht im Händchen halten eines Kunden.
Das solltest Du eigentlich können, nicht wahr?”
“Händchen
halten?”
“Man
kann das auch Beratung oder auch Consulting nennen. Beim Kunden”, hier lehnte
sich Heinz konspirativ nach vorne, “ heißt das Unterstützung bei der Software
Wartung. Aber unter uns, wir kennen uns aus mit den Internas, ist das
ausschließlich Händchen halten, einen guten Eindruck machen und Zeit
gewinnen.,” er machte eine rhetorische Pause.
“Die
von der BfA haben eine Datenbankanwendung programmiert, die mit der aktuellen
Version gar nicht funktionieren kann. Der Hersteller hat ihnen zu schnell eine
Datenbank verkauft, die so noch gar nicht richtig funktioniert. Er arbeitet an
einem Update, das wird in vier Wochen fertig sein. Nun haben die von der BfA
einen Wartungsvertrag. Der sieht vor, dass im Fall eines Problems jemand kommt,
der das behebt. Wie lange der dafür braucht ist nicht spezifiziert. Und nun
wird der Beste geschickt. Du!”
“Äh,
ich weiß doch gar nicht …”
“Du
geht da nur hin, sicherst alles und tust dann so, als wenn Du arbeitest. Lass
Dir mal die Anwendung erklären, das dauert dann schon einmal zwei Wochen. Lern
die Leute kennen, spiel mit der Anwendung. Nach vier Wochen bekommst Du das
Update und das ursprüngliche Programm läuft wieder. Was sagst Du?”
“Und
das soll funktionieren?”
“Freundlich
sein. Hilfsbereit. Ansprechbar. Der Kunde erwartet nichts anderes.”
So
kam Erwin zu seinem ersten Einsatz als IT-Berater.
Die
ersten Tage wurde er in den Büros der BfA herumgereicht. Die eingeforderte
Unterstützung wurde gestellt. Alle Vorgesetzten und Entscheider mussten ihn
sehen. So erfuhr er einiges über die Anwendung, die leider nun doch nicht
eingesetzt werden konnte. Am dritten Tag hatte er einen Schreibtisch. Er bekam
Besuch vom zuständigen Programmierer, der zu unterstützen war.
“Also
ich weiß gar nicht, warum das nicht geht. Sieh mal hier melden sich ‘interne
Tabellenzugriffsfehler’. Hast Du so etwas schon einmal gesehen?”, fragte dieses
Monster von Mensch.
“Au
das ist? Nein! Habe ich auch noch nicht gesehen. Aber vielleicht fällt uns ja
etwas ein?”, fragte Erwin.
“Mir
nicht. Ich bin da schon drei Wochen dran gesessen. Das ist nun alles ihre
Sache. Schauen Sie sich das in Ruhe an.”, der dicke Programmierer mit den
ungewaschenen, strähnigen Haaren stand auf und ging. Erwin vertiefte sich in
das Manual. Am Abend hatte er die Anwendung gesichert.
In
den nächsten Wochen widmete sich Erwin ganz dem Lesen und Ausprobieren. Er war
nicht der überhebliche Besser-Wisser, den der dicke Programmierer erwartet
hatte. Die beiden gingen gemeinsam in die Mittagspause und für alle Welt war
sichtbar, dass nun in diesem Projekt wieder gearbeitet wurde. Als nach drei
Wochen das Update kam, waren noch ein paar Tage Unterstützung abzuleisten. Der
Abteilungsleiter holte Erwin zu sich.
“Das
war ja ein grosser Herr Meierfelder. nun funktioniert ja alles.”
“Ja
danke, das war …”
“Ich
weiß, ich weiß. Da musste noch die neue Lieferung kommen, dann würde alles
gehen. Ist ja schon in Ordnung so. Nur nun für die restlichen Tage, da wäre
noch etwas zu machen. Vielleicht könnten Sie da ja drauf schauen. Wir haben
nämlich ein ganz großes Problem. Unsere Drucker, die ich angeschafft habe,
sollten zweiseitig drucken können. Die wurden mir extra so verkauft. Aber das
bekommt hier keiner hin. Und da. Könnten Sie da nicht einmal drauf schauen?”
Es
dauerte nicht ganz die drei Tage. Dann hatte Erwin diese Kürleistung
vollbracht. Ab diesem Zeitpunkt war er im Geschäft. Zunächst noch auf
freiberuflicher Basis, aber dann wechselte Sellger zu einem Beratungshaus und
nahm Erwin mit. Dieser bekam dort einen Job als Nothelfer, wenn man einen
Allrounder schicken musste. Sellger übernahm später die technische Leitung
eines Großkunden. Das war praktisch, so konnte er ständig Beratungsleistungen
nachfragen. Vermutlich kassierte er dabei auch Provisionen.
6
"Erwin,
warum belästigst Du uns mit deinen Angebereien?", so fing der Brief seiner
Schwester an. Erwin las den Satz noch einmal. Die Schrift seiner Schwester war
aber leserlich genug. Er schluckte. Bisher waren die Briefe immer eher
neugierig. Er schrieb von den Schwierigkeiten die Abschlüsse anerkannt zu bekommen,
sie schrieb von der Position auf der Warteliste für eine größere Wohnung. Ein
Besuch im Osten war ihm als Flüchtiger untersagt. So war ein Wiedersehen mit
seiner Familie unmöglich. Aber es war möglich Briefe und Pakete zu schicken.
Für Weihnachten, dem Jahresendfest, hatte er schon ein paar Geschenke gekauft.
So machten es die anderen auch, die in den Westen gelangt waren. Was sollten
diese Vorwürfe? Verwirrt las Erwin weiter.
Es
war wohl sein Schwager, der in Schwierigkeiten war. Im Suff hatte dieser
angekündigt, auch in den Westen gehen zu wollen. Seitdem wurde er im Kollektiv
ausgeschlossen. An eine größere Wohnung war nun nicht mehr zu denken. Wo doch
gerade der Albert immer so linientreu war. Der hätte in der Partei Karriere
machen können! Und nun? Der versoffene Bruder hat in den Westen gemacht und
musste das allen mitteilen. Warum war er nicht einfach verschwunden? Aber er
konnte ja auch nie einfach nur saufen und ruhig bleiben. Immer musste er laut
von seinen Weibergeschichten erzählen. Alle waren froh, dass er nicht mehr da
war. Sie wollte nie mehr etwas von ihm hören. Eine Republikflucht war für sie
und ihrer Familie vollkommen ausgeschlossen.
Nach
dem ersten Lesen weinte er. Aber beim zweiten Lesen stolperte er über die Sache
mit dem Saufen und den Weibergeschichten. Das war er doch nicht! Sie zog ihn
doch immer damit auf, dass er nie einen Schluck trank, dass er deswegen auch
viel zu langweilig für die Mädchen wäre. Warum schrieb sie so etwas? Auch das
Wort Republikflucht hatte einen seltsamen Klang für ihn. Der Brief bekam damit
etwas förmliches. Dem saufenden Weiberhelden, der das Arbeiter und
Bauernparadies verlassen hatte, sollte damit aufhören die linientreue
Verwandtschaft zur Republikflucht anzustiften. Allmählich verstand Erwin. Der
Brief war in erster Linie an das Ministerium für Staatssicherheit gerichtet.
Die lasen alle Briefe mit und suchten nach Verdächtigem. Albert konnte seine
Karriere nur durch ein Abbruch der Beziehung zu ihm retten. Aber warum schrieb
seine Schwester vom Saufen und von Weibern? Der Brief hatte eine wenn-dann
Aussage, die so nicht stimmte. Wenn er soff, dann prahlte er mit
Weibergeschichten. Er soff aber nicht, also war das mit den Weibern falsch.
Dann waren sie auch nicht froh, dass er nicht mehr da war. Sie wollte bestimmt
von ihm hören und bestimmt würden sie auch in den Westen gehen, wenn sie
wüssten wie.
Dann
konnte er seinen Leuten also nur keine Briefe mit der normalen Post mehr
schicken. Konnte er auf anderen Wegen mit ihnen Kontakt aufnehmen?
Über
die Erstaufnahme in Giessen fand er tatsächlich einen Weg an der Post vorbei
Briefe zu seiner Schwester zu senden. Westdeutsche konnten ihre Verwandten in
der DDR besuchen und dabei dann auch Briefe und Pakete mitnehmen. Die Schwester
antwortete zunächst gar nicht, aber nach einem Jahr dann doch. Sie bat direkt
um einen Weg die DDR mit Mann und Kinder zu verlassen. Zwar hätten sie die
größere Wohnung bekommen, aber ein Leben wie er im Westen hätten sie nicht.
Jeden
Brief beantwortete sie mit dieser ausdrücklichen Bitte. Da es ihrer Familie
nicht schlechter ging, musste diese Form der Kommunikation sicher sein. Erwin
wusste, dass er nun etwas machen musste.
“Heinz,
ich brauche Geld und zwar viel Geld, so als Vorauszahlung oder Kredit. Ginge
das?”, fragte Erwin seinen Chef, den Sellger.
“Bank?
Die geben doch normalerweise Kredit für Anschaffungen. Was willst Du dir denn
zulegen? Du bist doch immer so sparsam.”
“Meine
Schwester will auch in den Westen. Mit Mann und Kinder. Die halten es dort
nicht aus. Und nun kann ich mit einer Gruppe da etwas machen. Mit einem
Gleitflieger hatten die schon einmal Leute herüber geholt. Den müsste man hier
bauen, dann rüberschmuggeln und dann können die im Fichtelgebirge über die
Grenze fliegen. Das kostet so ungefähr 25.000 DM. Das bekomme ich bei einer
Bank gar nicht. Die wollen Sicherheiten. Und nun? Du kennst mich doch.”, bat
Erwin.
“25.000?
Das ist schon einiges. Wie willst Du das denn zurückzahlen? Bleibst Du dann die
nächsten zehn Jahre mir treu?”
“Du
kennst mich doch. Ich spare nun im Monat 200 DM, im Jahr wären das dann
2.400DM. Das mache ich dann die nächsten zwölf Jahre.”, bot Erwin an.
Sein
Chef nahm an, aber seine Schwester hatte Bedenken. Mit einem Miniflugzeug die
ganze Familie über die innerdeutsche Grenze zu fliegen, kam für sie nicht in
Frage. Zwar wäre sie schon bereit, aber Albert hatte doch Höhenangst. Ginge es
nicht auf dem Landweg? Sie hätten von Leuten gehört, die sich im Kofferraum von
den großen Autos versteckt hatten. Erwin hatte auch davon gehört, nur war das
der Weg, der gar nicht mehr ging.
“Ich
brauche das Geld dann doch nicht”, wollte Erwin seinen Kredit zurückgeben.
“Wir
haben einen Vertrag gemacht. Für mich war das eine lohnende Investition. Aber
wenn?”, der Sellger überlegte. “Was ging denn schief? Wollen deine Leute nicht
mehr?”
“Mein
Schwager hat Höhenangst und das mit dem Kofferraum funktioniert doch nicht
mehr. Da brauche ich das Geld nun nicht mehr. Aber …”
“Noch
einmal biete ich Dir da nicht an. Ich hab Dir das einmal gegeben, wenn Du das
nun zurückzahlst, war es das. So eine Bank bin ich nun doch nicht. Aber wenn Du
willst höre ich mich mal um. Meine Freundin kommt doch aus Ungarn. Vielleicht
könnte deine Schwester dort Urlaub machen und über Österreich kommen? Soll ich
da mal fragen?”, schlug der Sellger vor.
Es
war eine recht teure Flucht über Ungarn. Im Sommer 1988 verbrachten Erwins
Schwester, ihr Mann und ihre zwei Kinder einen Urlaub am Plattensee. Sellger
und seine Freundin machten dort ebenfalls Urlaub. Diese Freundin hatte Familie,
die in der Nähe von Eisenstadt an der Grenze zu Östereich Dienst hatten. Mit
ein wenig Schmiergeld sahen diese in die andere Richtung, als die Gruppe über
den Grenzzaun kletterte.
Erwin
stand Ende 1988 mit 35.000 DM in der Kreide.
7
“Erwin,
danke”, begrüßte in die Schwester, als er sie in der Notaufnahme besuchte.
Hinten sah er Albert, der vom Bett aufstand. Wie groß ihre Kinder geworden
waren! Sie schauten fragend den Mann an, der von ihrer Mutter umarmt wurde.
“Das
ist der Onkel Erwin, der uns in den
Westen gebracht hat”, erklärte sie. Die Kinder sagten brav ihr “Hallo Onkel”,
ließen sich hochheben und drücken. “Danke”, sagten sie zu den mitgebrachten
Geschenken.
Schwester,
Schwager und Erwin saßen anschließend um eine Kanne Tee.
“Das
war ja eine ganz knappe Sache”, erzählte Albert von der Flucht über die Grenze.
“Dein Kollege hat uns an die Grenze gebracht und hat uns dann da gelassen. Ganz
alleine waren wir da. Gerade als wir an den Zaun gehen wollten, haben wir die
Grenzer gesehen. Wir versteckten uns und eigentlich war das schon zu spät. Aber
dann drehten sie im letzten Moment einfach um, machten eine Pause und gingen
dann wieder zurück. Wir konnten ganz gemütlich über den Drahtzaun klettern.
Also bei uns wäre das nicht passiert. Das kann ich Dir sagen.”
“War
doch eine gute Idee über Ungarn zu fliehen, nicht wahr.”
“Wo
warst Du eigentlich? Warum hast Du uns nicht auf der anderen Seite erwartet?”,
fragte Albert.
“Ich
musste doch in Düsseldorf im Rechenzentrum. Aber war doch egal, ihr wurdet doch
abgeholt. Das hat doch alles geklappt.”
“Das
schon. Aber hier ist das auch nicht so toll. Wie geht es nun weiter?”
“Hat
man euch doch bestimmt schon gesagt. Erst einmal schauen, was eure Zeugnisse
und Abschlüsse hier im Westen bedeuten. Ich musste alles nachmachen. Aber dann
bin ich so untergekommen. Arbeit ist hier das wichtigste. Der Rest kommt dann
schon. Habt ihr schon Pläne gemacht?”
“Wir
dachten, wir kommen zu Dir.”, meinte die Schwester.
“Meine
Wohnung ist doch viel zu klein, aber ich könnte euch etwas suchen. Nur könnt
ihr dort arbeiten? Hier wohnt man meistens bei der Arbeit. Oder man pendelt mit
dem Auto.”
“Auto!
Hörst Du, hier hat man Autos”, sagte Albert seiner Frau.
“Also
erst arbeiten, dann Auto”, versuchte Erwin zu erklären.
Er
fand in seiner Nachbarschaft eine Sozialwohnung für die Familie. Leider wurde
die Lehrerausbildung seiner Schwester nicht anerkannt. Auch die
Buchhaltungskenntnisse von Albert erwiesen sich als wertlos. Nach einigen
Monaten fand dieser dann eine Anstellung als Pförtner am Ordnungsamt.
Weihnachten
1988 feierten sie gemeinsam. Für Erwin war es eher eine Jahresendfeier, aber
Schwester und Schwager fanden im Westen sollte man das so machen, wie man es im
Westen halt macht. So feierte Erwin zum ersten Mal Weihnachten mit Baum und
Bescherung. Die Kinder sangen ihre Lieder, die sie im Kindergarten gelernt
hatten, dann wurde Kartoffelsalat gegessen. Anschließend spielten die Kinder
mit ihren Geschenken, die Erwachsenen mit Karten. Albert trank dazu Bier, Erwin
trank Mineralwasser.
“Nun
sag schon, wieviel hat Dich die Flucht gekostet? Das war doch nicht umsonst,
oder war dein Kollege so lieb?”, fragte Albert zu fortgeschrittener Stunde.
“Ach,
das. Das ist doch gerne geschehen.”
“Nein,
nein. Sag schon. Das zahle ich Dir zurück. Wieviel ist es denn?”
“35.000”
“Ui.
Das schaffe ich schon. Nicht in diesem Jahr, aber dann. Das bekommst Du alles
wieder, bestimmt!”
“Und,
wenn nicht, dann …”
“Was
denkst Du von mir. Klar mache ich das”
Von
seinem Schwager bekam Erwin kein Geld. Aber das machte ihm gar nichts aus.
Sparsam wie er war, zahlte er jeden Monat seine Rate. Es blieb auch noch etwas
übrig, mit dem er seiner Schwester und ihrer Familie half. Bis Anfang der 90er
lief das ganz harmonisch. Mit Baum, Bescherung und anschließendem Spielen
verbrachte sie die nächsten Weihnachten. Bis Albert unvermittelt vorwarf: “Du
bist ganz schön eingebildet”. Mit einem ganz ruhigen und nüchternen Ton sagte
er das. Erwin bezog das auf das letzte Spiel: “Du musst aufpassen und weniger
trinken, dann gewinnst Du auch mal.”
“Das
meine nicht. Es ist deine ganze verdammte Wessikohle. Überhaupt! Warum sind wir
eigentlich hier? Ist doch alles. Warum musstest Du uns herüberholen. Wenn wir
dort geblieben wären, hätte ich bei der Stadt bleiben können und wäre nun
Beamter. Anna wäre Lehrerin. Wir hätten uns alles leisten können. Aber so bin
ich doch gerade mal Pförtner. Bei uns ist alles zusammengebrochen. Die sind
alle noch in den Ämtern. Hätten wir doch nur gewartet. Ein Jahr. Das war voll
daneben. Und alles nur wegen Dir und Deiner Angeberei. Deine Schuld.”, der
Schwager war gar nicht mehr zu halten.
“Aber
ihr wolltet das doch so haben. Ihr habt das gewollt. Und da habe ich das dann
auch organisiert.”, Erwin schluchzte dabei. “Das war doch alles nicht so
gemeint gewesen. Wer dachte denn, dass Du das wirklich machst.”, wandt seine
Schwester ein.
“Genau!
Da haben wir noch gedacht, der macht das nicht. Und dann heißt es in Ungarn
Urlaub machen und dann rüber. Da kommt dann dieser Wessi an mit seine
ungarischen Schlampe. Nimmt uns mit zur Grenze und sagt ‘Geht da mal rüber. Da
kommt ihr zum Erwin’. Wir wussten doch gar nicht, was uns da erwartet. Sollten
wir da etwa sagen, nein danke? Bestimmt wäre ich in dem Jahr noch aufgestiegen.
Die haben das schon vergessen. Und Dein Kollege. Und Du. Ist ja auch egal.”,
Albert machte eine neue Flasch auf.
Die
Schwester legte ihre Hand auf Alberts Hand und versuchte ihn zu beruhigen. Sie
drehte sich zu Erwin und sagte leise: “Recht hat er schon. Wäre ja wirklich
besser gewesen.”
“Dann,
dann gehe ich wohl besser”, sagte Erwin leise. Traurig verließ er seine
Familie. Diese zog dann später wieder in den Osten und lud ihn nie mehr zu
einem Wiedersehen ein.
Es
war wohl alles ein Problem vom Geld. Geld hatte ihn nie sonderlich
interessiert. Er wusste gar nicht wie er es ausgeben sollte. Deswegen gab er es
gerne für seine Nächsten, seiner Familie aus. Aber das ging ja nun nicht mehr.
Sollte er es einfach spenden? Oder weniger arbeiten? Die Arbeit machte ihm
großen Spaß und auch ohne zu fragen, stieg sein Gehalt. Er beschloss es auf ein
Sparkonto zu legen und niemanden davon zu erzählen. Dann hätte er auch keine
Neider mehr.
Ihm
war klar, dass er nicht ganz für sich alleine vor sich hinleben konnte. Das
wäre nicht gut. So gewöhnte er sich an, Kaffees und Kneipen zu besuchen. Dort
trank er sein Mineralwasser, las in einem Buch oder einer Zeitung und, wenn es
sich so ergab, führte er unverbindliche Gespräche über das Wetter oder
Sportereignisse. Der politischen Meinung seiner Gesellschaft konnte er sich
immer anschliessen.
8
"Hallo
Erwin. Du hast Dich aber verändert?", es war Michael, der Erwin nach der
Rückkehr von Lwiv begrüsste.
"Wie?
Was? Meinst Du?", Erwin hatte doch gar nichts verändert. Was sollte er
davon halten?
"Lass
mal sehen. Moment", Michael trat einen Schritt zurück und musterte ihn.
"Äusserlich
nichts, aber dein Auftreten ist insgesamt energischer. Wenn Du es nicht wärst,
würde ich auf Freundin tippen.", woher wusste er das?
Erwin
wurde ein wenig rot und seine Lippen zuckten unwillkürlich.
"Echt?
Sag bloß. Gratulation", nun streckte Michael ihm die Hand hin. Erwin griff
verblüfft zu und gestand dann.
"Ja.
Nun doch! Ja."
"Hast
Du ein Photo dabei? Darf ich mal sehen?"
"Das
geht keinen etwas an."
"Normalerweise
gibt der Mann immer mit seinen Eroberungen an. Und nun gehörst Du doch auch
dazu. Oder ist sie etwa? Na. Auch egal", Michael wollte schon gehen.
"Na
gut", Erwin holte sein Smartphone heraus. Er machte selten Fotos. Am
Flughafen von Lwiv hatte er Elena nach der letzten Umarmung und dem letzten
Kuss fotografiert. "So habe ich Dich immer bei mir", hatte er ihr
noch gesagt. Bei der Erinnerung daran wurden seine Augen feucht.
"Ist
so ...", Michael unterdrückte seinen Spott.
"Hier,
da ist sie beim Abschied am Flughafen."
"Ui,
wie alt ist die denn?"
"Viel
zu jung nicht wahr"
"Hübsch,
alle Achtung", Michael nickte und zeigte einen nach oben gestreckten
Daumen. Dann klopfte er Erwin auf die Schulter.
"Und
nun? Auf den Dreh gekommen? Auf zu neuen Eroberungen? Jetzt wo das Tier erwacht
ist, muss es gefüttert werden."
"Ach,
das war schön und ein einmaliges Erlebnis. Aber.", Erwin holte Luft, hob
die Schultern und senkte sie wieder. ", nun geht es normal wieder
weiter."
"Das
glaubst Du doch wohl selber nicht. Da wurde ein Schalter umgelegt.",
Michael fasste Erwins Schulter und schüttelte sie. "Sieh mal. Ich habe
schon gesehen, dass Du dich verändert hast, das sehen andere doch auch. Frauen,
die jemanden suchen, sehen dich nun als Angebot, das zu prüfen ist. Du bemerkst
diesen Blick und dann erscheinen dir auf einmal Frauen attraktiv, die Du früher
gar nicht beachtet hast. Und schon ist da etwas Neues im Anmarsch."
Erwin
schluckte: "Ich weiß nicht. Wer sollte denn mit mir?"
"Die
Kleine auf dem Handy hat doch wohl. Oder etwa nicht?"
Da
hatte Michael Recht. Der Gedanke mit einer anderen ins Bett zu gehen, fühlte
sich wie ein Verrat an. Obwohl er ihr nichts versprochen hatte. Vielleicht
einmal telefonieren hatten sie ausgemacht. Trotzdem war da dieser unerwartete
Gedanke. War das etwa Liebe?
"Sie
ist, glaub ich, meine einzige Liebe.", antwortete er fest. Dabei nickte er
zustimmend.
"Das
verblasst schon. Und in ein, zwei Wochen oder Monaten kommt dann ... zum
Beispiel die Rita aus dem Vorzimmer beim Sellger vorbei und dann ist da etwas Neues.
Wirst schon sehen.", damit verabschiedete sich Michael.
Erwin
sah ihm hinterher. Er drehte sich wieder zu seinem Bildschirm und griff nach
der Maus. Warum wanderten seine Gedanken zu der Sekretärin vom Heinz? Sie war
genauso klein und hatte auch so blonde Haare wie Elena, aber zwanzig Jahre
älter. Sollte tatsächlich ein Tier erwacht sein, das er nun füttern musste? Die
Rosa bei der Jugendweihe war auch blond, schoß ihm durch den Kopf. Ihr Lachen
kam ihm wieder in Sinn. Dann fiel sein Blick auf den Inhalt der Fenster, die am
Bildschirm zu sehen waren. Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf
seine Arbeit.
Am
Abend telefonierte er zum ersten Mal nach Lwiv.
Ein
paar Wochen später kommentierte Michael wieder: “Hallo Erwin, sag bloß Du
machst nun auf zweier Beziehung?”
“Seh
ich so aus?”
“Ja.
Vom Eindruck bist Du ein Männchen, dass sich auf sein Weibchen freut. Das
Frauchen, das Yogaseminar an der Ostsee macht, um ‘von dem allem’ mal Abstand
zu gewinnen. Die Jungs machen dann immer so ein Eindruck, wenn sie wieder
kommt. Und?”
“Morgen
kommt sie an. Mit Visum zum Heiraten. Es ist uns richtig Ernst und …”, Erwin
hielt eine Predigt zu den Vorzügen einer festen, klar geregelten Beziehung. Es
war so überzeugt, dass Michael nur aufmerksam zuhörte. Er erkundigte sich sogar
aktiv nach den Bestimmungen und beeindruckt.
Am
nächsten Tag kam Michael vorbei: “Und wie ist sie?”, fing er an. Dann sah er
Erwins Gesicht. “Sag bloß, da ist etwas schiefgelaufen?”
“Ja,
ihre Eltern, sie muss dann doch noch ein paar Wochen dort bleiben. Aber dann,
wenn das geklärt ist, dann kommt sie. Bestimmt. Sagt sie. Und dann ist das auch
so!”, Erwin bekräftigte das mit einem Nicken.
Michael
erzählte dann vom Projekt und den Kunden bevor er ging.
“Herr
Meierfelder? Sie sind aber einer. Gehen Sie immer so ran?”, Rita schaute ihn
mit einem richtig interessanten Augenaufschlag an. Ihr Gesicht konnte wirklich
sehr jugendlich und attraktiv wirken. “Also ich wäre ja nicht abgeneigt und
single bin ich auch”, setzte sie hinzu. Aber was hatte er eigentlich gesagt?
“Was?
Wieso?”
“So
sind die Männer, alle. Erst wird geschwärmt, was man mit einer Frau alles
machen möchte und dann, wenn es Ernst wird, ein Rückzieher machen. Also ich
wäre dabei?, “ sie konnte einen Schmollmund machen. “Immer noch”, fügte sie
breit lächelnd an. Er wusste, dass er hier nur mit einer Einladung zum Besuch
im kommunalen Kino herauskommt. “Die schönsten Liebespaarszenen von Casablanca
bis zur Titanic” kamen dort. Ein Prospekt lag auf ihrem Schreibtisch und Erwin
hatte nur bemerkt, dass dort ja nur Paare hingehen könnten.
“Ja,
dann. Besorge ich mal Karten. So am Freitag Abend? Spätvorstellung?”, Erwin lud
zum ersten Mal eine Frau ein! Mit Elena telefonierte er immer nach Feierabend
bevor ihre Arbeit anfing.
Sie
spielte mit. Wenn die Frau auf der Leinwand seufzte, seufzte Rita auch. Wenn
sie sich nach dem Mann umsah, sah sie Erwin an. Jedenfalls immer dann, wenn
Erwin nach links schaute. Er wusste nicht so richtig, was er nun machen sollte.
Zum Glück war der Eimer mit den Popcorn zwischen ihnen. Obwohl die Popcorn mit
bemerkenswerter Geschwindigkeit verschwanden. Mit den letzten Popcorn war er
gespannt, wie der Abend wohl weiter verlaufen würde.
Sie
lehnte sich an seine Schulter. Kurz zauderte er, dann legte er seinen Arm um
ihre Schulter. So waren sie bei der Casablanca Szene ein richtiges Paar. Ihre
Zungen berührten sich. Es fühlte sich vertraut, ähnlich, aber auch ganz anders
an, stellte er fest. Von den nachfolgen Szenen bekam er nicht so viel mit. Ihre
Hand fühlte er in seinem Schritt. Ein Gefühl, dass er geniessen konnte. Sollte
er nun mit seiner Hand unter ihrem Rock aktiv werden? Seine Hand kam zu ihrem
Knie, dann presste sie ihre Schenkel zusammen, nahm ihre Hand zurück und
richtete sich wieder auf. Frauen waren wohl doch komplizierter als gedacht, kam
ihm in den Sinn.
“Wo
gehen wir nun hin?”, fragte sie am Ausgang.
“Also
…”
“Ich
habe Durst. Ein Bierchen beim Willi ist bei mir Tradition, kommst Du mit?”,
schlug sie vor.
“Bier?
Ich trinke doch nichts und um diese Zeit gehe ich normalerweise ins Bett.”, er
fühlte wie er dabei rot wurde. “Äh, also …”
“Meinen
Sie etwa mit einer Kinokarte wäre …”
“So
habe ich das doch gar nicht gemeint. Der Abend war toll und wir sollten das dabei
auch belassen. Geh nur ein Bierchen trinken, ich gehe nach Haus. Und alles ist
in Ordnung.”, beeilte er sich zu erklären. Das fühlte sich sogar ganz richtig
an.
“Du
bist wirklich ein ganz Lieber”, flüsterte sie.
Nach
einem eher langen Zungenkuss, den sie einfach nicht beenden wollte, trennten
sie sich. Kurz lächelte er ihr noch zu, dann drehte er sich um und ging zügig
nach Hause.
9
Und
nun saß er in der Ankunftshalle und wartete auf die Frau, die er heiraten
wollte. So eine Frau hatte eine eigene Bezeichnung, fiel ihm ein. Verlobte! Das
war es. Er wartete auf seine Verlobte, die mit einem Billigflieger in ein paar
Minuten landen sollte. Sein Blick ging zur Anzeigetafel. Es war immer noch eine
Viertelstunde.
Seine
Gedanken wanderten zu dieser Erfahrung mit Rita. Es war ja nichts gewesen. Das
war auch gut so. Rita war etwa so alt wie Elenas Mutter. Nun fiel ihm ein, wie
ähnlich sich diese beiden waren. Vorher war ihm das gar nicht bewusst. Er hatte
sie einmal gesehen, als er Elena an einem Sonntag besucht hatte. Sie wollte ihn
ihrer Familie vorstellen. Die Eltern bewohnte eine Wohnung in einem alten Haus
am Marktplatz.
An
dem Sonntag waren noch Elenas Brüder zu Besuch. Die Mutter verschwand nach der
Begrüßung mit Elena in der Küche und er fand sich am Esstisch mit drei
ukrainischen Männern wieder. Diese wunderten sich zwar, dass er tatsächlich
keinen Alkohol trank. Aber sie schienen das zu akzeptieren. Ihr Deutsch reichte
für ein wenig Konversation, bis die Frauen mit dem Essen kamen. Damals fiel ihm
die Ähnlichkeit von Mutter und Tochter auf. Nun schob sich das Gesicht von Rita
zwischen die beiden. Merkwürdig, wie es doch wohl nur auf Äußerlichkeiten, also
Haare, Gesicht und Größe ankam.
Ukrainische
Männer müssen Alkoholiker sein, fiel ihm ein. Jeder Mann bekam ein Wasserglas
mit Wodka vor dem Essen. Er lehnte seins ab, Elenas Vater trank seins mit. Beim
Essen gab es kein Lallen oder sonstige Aussetzer. Die waren das einfach
gewöhnt. Soweit er in Erfahrung brachte, machten die Brüder eine Art Ausbildung
und waren an dem Sonntag zufällig auch in Lwiv. Ansonsten wohnten die Eltern
mit Elena in dieser Wohnung.
Und
genau wegen dieser Wohnung verzögerte sich der erste Flug von Elena.
“Stell
Dir vor, die wollen das Haus verkaufen”, sagte sie am Telefon.
“Und?
Der Käufer übernimmt dann doch die Mietverträge. Und werden die Mieten
vielleicht erhöht. Das bekommen wir schon hin, mach Dir da doch keine Sorgen”,
wollte er beruhigen.
“Nein,
nein. Sie wollen das Haus ohne Mieter anbieten. Dann bekommen sie mehr Geld.
Eigentlich ist das verboten, aber die haben Freunde. Unten die Familie haben
sie schon verprügelt. Und nun haben wir auch Besuch bekommen. Da kann ich doch
nicht kommen.”
“Ja
klar.”, stimmte er zu. In ihr Schweigen sprudelte er: “Ich will das nicht. Komm
dann aber doch bald nach. Wie lange brauchst Du denn?”
“In
zwei Wochen müssen wir draussen sein. Wohin? Ich weiß nicht”, schluchzte sie.
“Sag
mal, soll ich kommen?”, bot er an.
“Was
machst Du hier? Dann verlierst Du Job und hier kannst Du höchstens das Haus
kaufen.”
“Was
würde das eigentlich kosten? Ein Haus in Lwiv?”, schlug er vor.
“Hast
Du soviel Geld?”
“Eigentlich
wollte ich mit Dir ein Haus hier in Deutschland kaufen. So mit Garten und so.
Aber das brauchen wir ja gar nicht. Bei euch sollten die Häuser sowieso
billiger sein. Frag doch mal, wieviel die haben wollen. Und ich kann hier mal
sehen, was meine Bank dazu sagt.”
“Das
machst Du wirklich?”
“Wenn
es geht, ja.”
Nach
ein paar Telefonaten und Besuchen bei seiner Bank fand sich tatsächlich ein
Weg, wie das Haus gekauft werden konnte. Mit einer Vollmacht konnte Elena in
seinem Namen Immobilien in der Ukraine erwerben. Allerdings gab es wieder die
üblichen Gebühren, die offiziell und gegen Quittung preisgünstig waren, aber
eine inoffizielle teurere Komponente ohne Quittung voraussetzten. Er hatte sich an diese Korruption schon
gewöhnt. Wenn sie nur käme und ihre Eltern in der Wohnung bleiben konnten, war
es ihm auch egal, ob das Geld nun sinnvoll ausgegeben war. Was hätte er sonst
damit machen können? Ein Haus mit Garten ohne Elena hätte er sich nie gekauft.
10
Endlich
erschien die Meldung, dass der Flieger aus Lwiv demnächst landet. Erwin erhob
sich von der Bank und ging zur Absperrung. Durch diese Türen würde seine
Verlobte kommen. Mit einem besonders großen Koffer würde sie zur Hochzeit
kommen. An den Gedanken musste er sich wieder gewöhnen. Bisher war das alles
nur Absicht und Vorhaben, aber nun sollte das Ernst werden. Es waren
Milchglastüren, die den Blick nicht direkt in die Halle mit den Gepäckbändern
freigaben. Nur ahnen ließ sich die Ankunft von Passagiergruppen. Es war noch
viel Zeit. Zunächst mussten sie durch die Passkontrolle. Die, die herauskamen,
konnten noch gar nicht zu dem Flieger aus Lwiv gehören. Trotzdem musste er dort
warten und den Raum nach einer kleinen Frau mit blonden Haaren absuchen.
Meistens war es vergebens, aber dann sah er Elena. Ganz hinten von links kamen
Leute von der Passkontrolle. Die Türen schlossen sich wieder. Erwin strahlte.
Sie hatte ihren schwarz-roten Rock angezogen. Das musste sie gewesen sein!
Mit
der nächsten Öffnung der Türen, sah Erwin, wie Elena sich mit einem Mann
unterhielt. Es war ein schlanker, großer Mann. Die beiden lachten, der Mann
berührte sie.
Bei
den nächsten Türöffnungen war Elena in einer Menschentraube verschwunden. Alle
wollten zu den Gepäckstücken auf den Bändern. Ein riesiges Gepäckstück musste
Elena dabei haben. Jedenfalls hatte sie einen Zuschlag bestellt, den Erwin
nachlösen musste. Vorher hatte sie zwei Koffer angemeldet, einer war in dem
Ticket enthalten, den anderen bezahlte Erwin bei der Buchung. Und dann meldete
sie noch ein riesiges Teil nach. Wie wollte sie das alles dort heraus bringen?
Gerne wäre er ihr dabei behilflich, aber es ging ja nicht.
Auf
einem Wagen schob sie eine große Truhe durch die Tür. Er sah ihr rundes,
strahlendes Gesicht hinter dem Wagen. Da war er schon bei ihr. Er fühlte ihre
Brüste an seiner Brust, ihre Arme an seinem Hals und mit seiner Zunge ihre
Zungenspitze.
“Erwin”
“Elena.
Endlich”, Erwin stellte sie ab und sah sie an.
“Sie
sind also Erwin, der Glückliche”, hörte er eine männliche Stimme neben ihm. Es
war ein junger, hagere Mann mit einem Ansatz von Glatze.
“Ja.
Erwin. Der Glückliche?”, fragte er.
“Na,
sie haben eine bezaubernde Verlobte. Da sind Sie doch glücklich”, sagte der
Mann und wies auf seinen Gepäckwagen mit drei Koffern. Einen nahm er hinunter
und sagte: “Meine Arbeit ist dann vorbei. Dann wünsche ich Euch alles Gute.”
“Danke”,
rief Elena hinterher.
“Wer
war das?”
“Weiß
ich nicht, hat mir mit der Truhe und den Koffern geholfen. Ein ganz Lieber. Gut
nicht”. Das war seine Elena. Wenn es schwer wurde, fand sie immer jemanden der
ihr half. Irgendwie schmerzte der Gedanke.
Die
Koffer und die Truhe passten so gerade in seinen Kleinwagen. Ihm war das
irgendwie peinlich. Warum musste er solch einen alten Wagen fahren.
“Schön.
Passt so gerade”, kommentierte Elena und ihr Lächeln deutete keinen Vorwurf an.
“Wir
brauchen dann irgendwann einen größeren Wagen”, meinte er.
“Wieso?
Der ist doch groß genug”
“Also
ich will schon, du doch auch?”
Sie
küsste ihn.
“Ich
will eine Tochter”, befand sie.
Vor
dem Haus hatte er dann eine unerwartete Aufgabe. Die Koffer konnte er alleine
hinauf tragen. Es waren drei Stockwerke ohne Fahrstuhl.
“Was
ist eigentlich in der Truhe?”, fragte er.
“Ist
Aussteuer. So Bettwäsche, Geschirr, Besteck und Vorhänge. Das braucht die Frau
zum Heiraten. Ist von Mutter.”, erklärte Elena.
“Das
habe ich doch alles.”, wandt Erwin ein.
“Jedes
Mädchen braucht Aussteuer. Und Mutter hat diese Truhe von ihrer Mutter. Und ich
gebe sie meiner Tochter. Warum nicht in den Keller. Ist doch trocken?”
“Na
gut.”
“Später,
aber”. Elena küsste ihn.
Geschwind
ging sie nach oben. In jedem Stockwerk wartete sie auf ihn. Wie ihr Rock wippte
zu ihren Schritten. Das Gewicht der Koffer merkte er gar nicht.
Kaum
waren sie in seiner Wohnung, da zogen sie sich aus und holten nach, was er die
Monate lang vermisst hatte. Ihm fiel auf, wie hungrig sein Tier war.
“Ich
muss Dir was sagen", fing Elena an, als er erschöpft neben ihr lag.
“Sagen?
Warum? Wir können später auch noch reden.”
“Nein,
nein. Mir ist wichtig.”
“Ja,
dann”, was kam nun?
“Mein
Bruder hatte die Idee”, er fragte sich sofort, welcher der zwei Brüder eine
Idee haben konnte. Aber es konnte ja nicht alles glatt verlaufen.
“Wie
soll ich ihm helfen?”, bot er ohne zu zögern seine Hilfe an. Er würde alles für
sie und ihre Familie tun.
“Gar
nicht. Es ist dein Name”
“Will
er auch Meierfelder heißen?”
“Nein,
nein. Es ist nur, er hat ein Grab mit dem Namen ‘Meierfelder’ gesehen. Und da
hat er dann die Idee gehabt. Wir haben Dich einfach in der Ukraine mit
angemeldet. Du bist nun auch in der Lage dort ein zu kaufen. Gut nicht wahr”
“Das
ist doch für Deine Eltern. So war das doch geplant”
“Nein,
nein. Das ist ja das. Wir haben das Haus auf deinen Namen eingetragen. Und alle
Dokumente auch nach Deutsch und mit Stempel übersetzt. Gut, nicht”
Wie
schön das Gelb in ihren Augen strahlte. Er ließ sie in der Nacht nicht mehr aus
den Armen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen