Freitag, 18. März 2016

Rubin

"Sehen wir uns heute Abend wieder?" fragte er leise.
"Warum?"
"Ach, Du. Komm schon. War doch toll und hat doch auch gut getan" grinste er.
Sie schaute nur über den Tisch und biss in ihr Milchhörnchen. Mit geschlossenem Mund kaute sie nachdenklich. Warum gefielen ihm eigentlich ihre Tränensäcke? Er zog seine Augenbrauen hoch und wartete.
"Schau Dich doch einmal an. Was sollte ich mit .. Warum habe ich nur?" schüttelte sie den Kopf. Im Spiegel des Schaufensters gegenüber betrachtete er sein Aussehen, obwohl das doch den Weibern immer egal war. Verändert hatte er sich jedenfalls nicht, die Haare schwarz und fettig, ein paar Stoppeln mehr im Gesicht.
"Ich bin doch gar nicht verändert" bemerkte er. Was hatte sie nur? Obwohl? Warum war er nur über Nacht geblieben? Vermutlich waren die Weiber am Morgen doch anders als am Abend vorher. Vielleicht haben die ja nicht nur ihre Tage, sondern auch ihre Stunden oder Tageszeiten?
"Ach nee. Gestern muss ich von Sinnen gewesen sein. Hast Du mir etwas ins Glas getan?" Ihre Mundwinkel setzten sich in zwei Furchen bis zur Unterkante des Kiefers fort. Wie schön sie doch war.
"So KO Tropfen? Nie." Er schüttelte ungläubig den Kopf. Die Weiber wurden auch ohne Chemie läufig, wenn er das wollte. Erklärend fügte er hinzu: "Du warst doch gar nicht KO. In der ganzen Nacht nicht, oder ..?" Seine braunen Zähne zeigten sich in seiner Grinse.
Sie schluckte ungläubig, schüttelte langsam den Kopf und sagte dann zu ihrem Milchhörnchen: "Ja, ja. Was hab ich da nur." Das Hörnchen fand den Weg in den Kaffee, dann in ihren Mund. Kauend nickte sie, schluckte hinunter und beschloss dann: "Gut war's schon, aber so etwas wiederholen? So heute Abend? Nein, danke, vielleicht später mal, obwohl ich glaub ja nicht"
Er rührte in seinem Capuccino. "Ich leiste Dir noch ein wenig Gesellschaft. Bis zur S-Bahn?"
Sie kniff nur die Lippen zusammen.
Er wollte lässig mit den Schultern zucken, aber das klappte nicht so richtig. Ungläubig schaute er über den Tisch. Mit dieser Schnepfe hatte er die Nacht verbracht. Was hatte sie nur mit ihm gemacht, dass er die nächste Nacht auch wieder mit ihr schlafen wollte? Wollte er das eigentlich wirklich? So richtig spitz war er ja nicht, aber nun einfach gehen wollte er nicht. Sie schaute einfach nur gerade aus und beobachtete die Pendler auf den Weg zu den Bahnsteigen. Ihn beachtete sie gar nicht. Das vögeln konnte es nicht gewesen sein, das war nichts besonderes gewesen. Aber egal, es galt weiter zumachen. Nach der Arbeit sollte er wieder auf die Suche gehen, sie einfach vergessen. Seine rechte Hand strich über sein Hemd in Brusthöhe. Kurz griffen seine Finger nach dem dort unter dem Hemd an einer Kette baumelndem Anhänger. Hielt sein Zauber nur für ein paar Stunden?
Kurz schaute er noch einmal zu ihr herüber. Ihre Hamsterbäckchen schimmerten rot, aber sie ignorierte ihn immer noch. Konnte es sein, dass es nicht mehr funktionierte? Er nahm einen Schluck von dem Capuccino. Ein süße Stimme fragte, ob an ihrem Tisch noch Platz sei.
"Aber sicher, doch" grinste er die junge Blondine an und zeigte seine Zähne. Sie waren genauso gepflegt wie seine Kleidung. Der rechte Schneidezahn im Oberkiefer zeigte deutlichen Karies.

Beim Anblick seines Lächelns weiteten sich ihre Pupillen, so dass das Blau ihrer Augen kaum mehr zu erkennen war. Es war als würde für sie die Sonne aufgehen. Ihr ganzes Gesicht erblühte wie eine Tulpe im Frühling. Hingen die Winkel ihres schmallippigen Mundes vorher mürrisch herunter, so wanderten diese nun nach außen und leicht nach oben.  Ihre Lippen wurden sichtbar voller und ihre Wangen röteten sich ein klein wenig. Wie wach ihre Augen doch wurden, als sie sie ganz öffnete!
Sie stellte das Tablett ab und schaute ihn mit leicht nach links geneigtem Kopf an. Gedankenverloren rührte sie in ihrem Kaffee.
Sein Zauber funktionierte einwandfrei, stellte er beruhigt fest. So früh am Morgen hatte er ja noch nie, aber warum auch nicht? Zwischen seinen Beinen baute sich ein leichter Druck auf und es war ihm klar, dass er diesen loswerden sollte, bevor er auf die Baustelle ging. Ansonsten hätte er bestimmt Ärger mit der Truppe. Sollte er diese Kleine mit auf die Toilette nehmen? Sie war gewiss schon alt genug. Wenn er nun zwischen ihre Beine greifen würde, würde sie stöhnen, kam ihm in den Sinn. Dabei musste er leicht lachen.
Das Mädchen atmete schwer ein und aus.

Eine alte Hand legte sich unvermittelt auf seine. "Ich habe mir das überlegt mit heute Abend." teilte sie, die neben ihm auch noch am Tisch stand, mit.
"Was? Nun doch?" gelangweilt schaute er zurück auf die Frau, die mit der er noch vor kurzem den nächsten Abend verbringen wollte. Auch diese hatte, wie zu erwarten war, ebenfalls einen offensichtlich erregten Gemütszustand. 
"Morgens bin ich nie so richtig wach. Ich habe das doch nicht so gemeint" sie schaute ihn mit feuchten Augen an. Das gefiel ihm. Nun war er wieder der, der sich aussuchen konnte mit welcher er es trieb. 
"Was? .. Also? .. Ich dachte Du hättest etwas besseres vor." Mit Vergnügen antwortete er ganz langsam. Dabei dachte er nach, ob sie beweglich genug für eine Nummer im Stehen auf einer Toilette wäre. So von hinten im Stehen würde es wohl gehen, befand er. Aber dann schaute er sich um und entdeckte eine genauso alte Frau, die mit einem Pelzmantel alleine an einem Tischchen stand. Sollte er so etwas einmal versuchen? Schade eigentlich, dass das mit dem Vögeln gegen Geld auf keine Fall funktionieren würde. Dann bräuchte er nicht auf die Baustelle. 
Die verschmähte Frau schaute auf ihre Hände und legte den Mittelfinger ihrer rechten Hand auf den roten Stein, der den Ring ihres linken Mittelfingers zierte. Als sie diesen Stein im Uhrzeigersinn streichelte, verwandelte sich mit jeder Umdrehung der Eindruck, den sie auf ihn machte. Bei der ersten Umdrehung schaute er wieder in ihre Richtung und fiel ihm auf, wie sanft ihre Augen lächelten, bei der zweiten Umdrehung erinnerte er sich an ihre weichen Schenkel und bei der dritten Umdrehung wollte er ihre Lippen küssen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen