Freitag, 18. Dezember 2015

Die Prophezeihung

"Hallo, wie geht's?" Bernhard erkannte den Herrn Weierich in der U-Bahn.
"Total beschissen. Wie sonst ..." lachte der ältere Mann. Auf Bernhards verblüfften Gesichtsausdruck erklärte er, dass "beschissen" die normale Antwort war, wenn der Ingenieur am Montag gefragt würde, wie es ihm ginge. An diesem Montag war es aber 'Total beschissen', weil er nicht nur mit ihm die neue Maschine einrichten musste, sondern darüber hinaus noch ein Pressebesuch anstand. Die stellten dann nicht nur ganz doofe Fragen sondern machten auch noch Fotos, die er dann wieder kontrollieren müsste, ob nicht irgendwelche Produktionsgeheimnisse preisgegeben würden. Dabei lachte er. Bernhard erinnerte das ganze an die fast schon vergessenen Worte der Zigeunerin. War sie überhaupt eine? Jedenfalls trat sie überzeugend als Wahrsagerin bei seiner Konfirmationsfeier auf. "Achte auf den Mann der lacht wenn es ihm 'total beschissen' geht", hatte sie gesagt. Zweimal hatte sie auf das 'total beschissen' hingewiesen.
"Nervös?" fragte Herr Weierich, als er Bernhards Gesichtsausdruck zu deuten versuchte.
"Nee, nee, ist nur Montag, auch für mich" zerstreute Bernhard die Erinnerung an seine Jugendzeit.
Auf dem Weg zur Arbeit unterhielten sich die Männer dann über das Spiel vom Sonntag. Der Club hätte ja nun wirklich besser spielen können.
Später sah sich Bernhard die neue Maschine an. Tatsächlich wurden hier mit nur einer Steuerung und einem Antrieb drei Achsen gesteuert. Die eine transportiert das Förderband, die anderen zogen ein Messer hin und her. Brauchten sie eigentlich hier noch eine Lichtschranke? fragte die Produktentwicklung. Das alles ging nun mit diesen kleinen, grauen Kästen. Als kleiner Junge hatte ihn schon immer diese Technik interessiert. Fasziniert schaute er den Bewegungen zu, als er hinter sich die Stimme Herrn Weierichs hörte. "So und hier kommen wir nun zu dem Prototyp. Sie sehen wir sind da noch in der Entwicklung ..." Er drehte sich um und, tatsächlich, der Mann, der lachend verkündet hatte, dass es ihm 'total beschissen' ginge, kam mit zwei Frauen durch den Gang. Das stimmte also tatsächlich! Die rechte trug einen roten Rock, der knapp über ihren Knien endete. An ihren Füssen waren Sandalen und keine Sicherheitsschuhe, schoss ihm durch den Kopf. Die linke trug auch keine Sicherheitsschuhe, dafür hatte sie eine Kamera umgehängt. Warum waren eigentlich Regeln da, wenn sie dann doch nicht durchgesetzt wurden, schimpfte er in sich hinein. Die linke war deutlich unattraktiver als die rechte stellte er schnell fest. Warum sagte diese alten Hexe, dass es die linke war, die für ihn bestimmt sein sollte? Mit strengem Gesicht musterte er sie deswegen genauer. Ihre Jeans waren ausgewaschen bläulich, ihre Bluse war weiß mit Rüschen, die oberen Knöpfe waren offen. Sie hatte tatsächlich ein wenig Brust, stellte er nickend fest. Ihr Hals war ganz hübsch, ihre Lippen voll. Als seine Augen in ihrem Gesicht antrafen, meinte Herr Weierich nur: "Schaffen, Bernhard! nicht Glotzen. Du musst nun als Fotomodell die Anlage verkaufen".
"Bitte?"
"Also, dann mal langsam. Du mimst den jungen Ingenieur, der begeistert mit der neuen Technik arbeitet. Die Frau Heberle" er deutete auf die Frau in Jeans, " macht die Fotos. Mach alles was sie sagt. Ich beantworte in der Zwischenzeit der Frau Hassmann ihre Fragen."
Bernhard schaute der Fotografin in die Augen. Sie schaute mit weit geöffneten Pupillen zurück. "Also zunächst einfach normal arbeiten und messen. Ich laufe dann schon um die Anlage herum. Licht genug ist ja da und vor allem ganz natürlich." waren ihre Anweisungen.

Er versuchte natürlich weiter zu arbeiten. Aber wie sollte er mit dieser zusammen kommen? Er überlegte, wie er sich in Szene setzen könnte. Aber jedesmal wenn er lächelte oder schaute oder winkte, sagte sie kritisch "Nein, nein, sei einfach ganz natürlich". Davon hatte die Hexe überhaupt nichts gesagt. "Nimm sie einfach!" waren ihre Worte. Das machten Männer doch gar nicht mehr. Er wollte sich mit ihr irgendwie verabreden oder so. Sie mit einem umwerfenden Spruch verabschieden. In diesen Gedanken vertieft stutzte er! Tatsächlich, an dieser Stelle rieb sich der Riemen ab. Dort müssten also die Schrauben ein wenig nachjustiert werden. Das würde auch ohne Lichtschranke gehen! "Ja, so ist das gut! Super!" lobte sie ihn. Er war doppelt stolz und ihre Augen trafen sich. Ihre Wangen färbten sich ganz leicht rötlich.
"Noch ein paar von solchen Aufnahmen" bat sie.

"Also wir sind dann mit allem durch, wie sind die Aufnahmen?" unterbrach Herr Weierlein.
"Gleich müsste die Sonne durch die Fenster kommen. Mit dem Licht möchte ich noch gerne ein paar Aufnahmen machen. Wenn Sie noch Zeit haben?" bat sie.
"Dann lassen wir Euch hier noch alleine. Du musst sie dann ins Büro bringen, Bernhard."
Dieser sah ihn mit der Frau im Rock die Halle verlassen. Die Fotografin machte ein Porträt von ihm und lachte. Ihm wurde warm. "Keine Angst, ich beiße schon nicht. Einfach vielleicht noch einmal so etwas wie eben, das war einfach herrlich. So ein richtiges Heureka Gesicht. Und die Technik, im Vordergrund."
"Heureka?" Bernhard war verwirrt. Sollte er nun natürlich arbeiten? Er hatte aber doch schon den Fehler gefunden und eigentlich war er ja fertig. Ihr Gesicht war ganz wach und so richtig süß. Sie hatte schon recht die Hexe, nur wie sollte er sie einfach nehmen? Er stand hilflos vor ihr. Sie kam an seine Seite und nahm ihre Kamera.
"Schau mal hier, das ist so genau der richtige Gesichtsausdruck eines Ingenieurs, wenn er eine wichtige Entdeckung macht. Eben ein 'Heureka' Gesicht. Und genau das ist es doch." sie zeigte ihm im Display das vorletzte Foto. Sah er wirklich so aus? Sein Blick fiel auf ihren Brustkorb der sich hob und senkte. Mit seiner Hand nahm er ihre Taille. 
"Heh" sagte ihr süßer Mund. Ihre Taille fühlte sich ausgesprochen gut an. Ihr Mund lächelte zu dem Protest. Sein Mund fiel auf ihren, seine Lippen öffneten sich und seine Zunge suchte ihren Mund zu öffnen. Zunächst presste sie ihre Lippen zusammen und drückte mit ihrem Rücken gegen seinen Arm. Aber dann schmiegte sie sich an ihn und erwiderte den Kuss. Er spürte ihren Arm um seinen Hals und die Wärme ihrer Brust. Als sie sich lösten, sagte sie nur "Puh" und strahlte ihn an.
Er sagte: "Das mit dem Flirten und so kann ich leider nicht so .." Da küsste sie ihn wieder.






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