Samstag, 5. März 2016

Mittwoch

Sie wollte eine Mittwochsfrau werden! Was war denn dabei? Als Nebenher Zeitvertreib wäre ihre Libido versorgt und ihre Freiheit gesichert. Natürlich ginge das nur, wenn es wirklich passte. Obwohl? Was bedeutete schon 'passen'? Eigentlich ginge es ja nur darum, festzustellen, ob er wirklich sauber und hygienisch genug war. Vor allem sollte er nicht stinken, schoss ihr bei der Kontrolle ihres Spiegelbilds durch den Kopf. Sie grinste bei dem Gedanken, zog eine Grimasse und wollte schon zur Tür hinaus, als ihr ihre rechte Hand auffiel. Da fehlte etwas. Als Ehefrau sollte sie einen einfachen Ring am Ringfinger haben. Es sollte zumindest eine Druckstelle zu sehen sein. Sie öffnete die Schublade des Dielenschränkchens und kramte von hinten das Kästchen mit den alten Erinnerungsstücken hervor. Da waren auch Ringe von diversen Verehrern dabei. Es fand sich tatsächlich einer, der auf ihren Ringfinger gedrückt werden konnte. Still schaute sie ihn an. Das war doch der Ring von dem Dings. Nein! Nicht von dem. Wieder lächelten ihre Lippen. Sie setzte doch ein Küsschen drauf und ging hinaus.
Auf den Weg ins Restaurant wechselten ihre Gefühle von Unsicherheit zu Zuversicht. Zum einen war das Treffen nicht das eine, sondern ja nur ein Versuchsballon, der auch schief gehen konnte. Zum anderen war es etwas, das sich dann doch so anfühlte, als wäre sie eine liegengebliebene, notgeile Frauen im mittleren Alter, die etwas für ihre Libido suchte. Das war zwar die Wahrheit, sollte aber verschwiegen werden. Bewusstes Verschweigen lag ihr aber nicht so. Die letzten Meter stellte sie sich den Jungen vor, der ihr den Ring geschenkt hatte. Der wäre bestimmt richtig dick und langweilig geworden. Es war kein Wunder, dass sie etwas frisches und aufregendes suchte!
"Pablo?"
Der sonnengebräunte Mann lachte, stand auf und begrüsste sie mit "Ilona?" und ein Küsschen links und rechts. Er roch nach einem After Shave. Zumindest stimmte das hygienische.
Zum Aperitif, er hatte Kir bestellt, kam die Menükarte und die erste Herausforderung des Abends. Die Schrift war ohne Lesebrille nicht zu erkennen und sie war doch noch unter vierzig! Schnell schaute sie in Richtung gegenüber, legte die Karte weg und sagte: "Bestell Du doch für mich. Was denkst Du könnte mir gefallen?"
Das gefiel ihm anscheinend. Er lächelte zustimmend und monologisierte: "Wir nehmen eines von den Menüs. Dann können wir uns ausquatschen. Das ist doch der Sinn der ganzen Sache."
Sie nickte und fragte nach: "Wieviele Gänge? Wie verfressen sehe ich denn aus?" Ihr Lächeln sollte prüfend sein. Er schaute gar nicht groß auf, sondern bestimmte einfach: "Die klare Suppe am Anfang und dann für Dich den Fisch und für mich das Rind. Ja!" Sein Blick strahlt eine Sicherheit aus, die sie beeindruckte. Ein richtiger Macho war ihr Gegenüber. Ob er im Bett auch so gut war? Ihre linke Hand wollte zwischen ihre Schenkel, aber sie presste nur Daumen und Mittelfinger zusammen. Mit der rechten Hand griff sie zum Aperitif und hob das Glas. Sie hielt es ihm hin und nach dem 'Kling' sagte sie: "Du weißt genau was gut für mich ist."

Nicht nur das Menü war gut für sie, sondern auch seine Gesellschaft. Ein Aufschneider und Beeindrucker, der nur über sich erzählt, war er nicht. Im Gegenteil interessierte er sich für sie auf eine überhaupt nicht aufdringliche Art und Weise. Auch bei Themen, die ihn offensichtlich nicht so richtig interessieren schienen, brach er nicht ab, sondern beendete sie mit einem Witz oder einer Bemerkung. Als sie über Ledermode erzählte und dabei drohte sich in langweiligen Details zu verlieren, fielen ihm eine witzige Überleitung auf Urlaube ein, die sie zum Lachen brachte. So verging die Zeit und nach dem Hauptgang fand sie sich mit der Karte in der Hand wieder.

"Such Du doch das Dessert für mich aus" forderte er.
Sie griff ohne nach zudenken in ihrer Handtasche, holte dass Etui mit der Lesebrille heraus und öffnete es. Ihre Augen wanderten kurz zu ihm, aber er schien nichts dabei zu finden.
Es gab Panna Cotta! Für ihn bestellte sie eine Crema Catalan.
Sie legte die Karte weg, schaute ihn an und wollte ihre Brille absetzen, da legte er schnell sine Hand auf ihre und sagte: "Nein, nein, lass nur. Mit Brille siehst Du doch viel besser aus."
"Findest Du?" fragte sie erstaunt.
"Ja"
Das Dessert aßen sie eher schweigend. Er schaute immer mal wieder nach ihr, hatte aber einen eher ernsten und nachdenklichen Eindruck, den sie sich nicht traute zu stören.

Als die Rechnung kam, wollte sie unbedingt ihren Anteil bezahlen. Schnell legte sie ihre Scheine auf die Mappe. Als er protestierte, fiel seine Brieftasche auf den Tisch und sie konnte in der vorderen Klappe das Foto einer Frau erkennen.
"Ist das Deine Frau?" fragte sie.
"Ja" sagte er nur kurz und zeigte das Foto. Ilona erschrak zunächst. War es ein Psychopath, der ihr Foto schon in der Brieftasche hatte? Auf den zweiten Blick war es nur die Brille. Die Frisur war glatter. Die Haare waren zu einem dicken Zopf geflochten. Aber Nase und Mund waren schon ähnlich.
Sie gab die Brieftasche zurück und blickte gespannt über den Tisch. Wie sollte sie nun in sein Bett kommen? Über seine Frau und seine etwaigen Kinder wollte sie nicht sprechen. Gespannt holte sie Luft.
Er lächelte nur und steckte die Brieftasche ein. "Ohne Brille geht auch" sagte er nur und griff nach dem Digestiv, der mit Rechnung gebracht wurde. Sie stießen an. Nachdem sie das Glas absetzte, verstaute sie die Brille wieder in das Etui.

Vor der Tür schlug er vor: "Wir brauchen kein Taxi nehmen. Bei dem Wetter können wir uns am Fluss erst die Beine ein wenig vertreten. Über den Steg ist es ganz nah."
Sie hängte sich in seinen abgewinkelten Arm. Es fühlte sich seltsam vertraut an. Sie unterhielten sich über das, was sie auf dem Weg sahen. Würde das Paar auf der Bank wirklich bald heiraten, fragte sie. Er stellte dazu Vermutungen an. Dann war das Auto auf dem Schlepper ein Thema. Fuhr damit der Kapitän Brötchen holen oder war das eher für den Schwager des Reeders bestimmt?
Gut gelaunt kamen sie bei seiner Wohnung an. Danach verstrich nicht all zuviel Zeit, bis sie unter ihm stöhnte. Obwohl es Männer gab, bei denen sie viel mehr stöhnte, genoss sie diesen Mann. Danach kuschelte sie sich noch in seinen Arm und wachte erst am nächsten Morgen wieder auf. 
Er fragte: "Trinkst Du auch ein Kaffee zum Frühstück?"


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