Freitag, 4. September 2015

Adonis

Das war ein guter Platz. Sie breitete ihre Decke aus, legte ihre Tasche an die Seite in Richtung Weiherufer und zog sich bis auf den Bikini aus. Ihre ordentlich zusammengefaltete Oberbekleidung verstaute sie neben ihre Tasche. Aus dieser zückte sie ihr Smartphone bevor sie sich auf den Bauch legte, so dass ihr Kopf über der Tasche auf den Weiher schauen konnte. Das Smartphone legte sie auf die Wiese vor ihrer Tasche. Am Weiher waren schon einige Kinder am Plantschen. Mütter lagen in Grüppchen zusammen auf großen Decken, erzählten sich Geschichten von Geburt und Erziehung. Soloherren mit Schmerbäuchen betrachteten sehnsüchtig die Solodamen, die meistens in Handies oder Büchern versunken waren. Vielleicht war ja mehr als nur sonnen an diesem Nachmittag möglich? Sie stellte sich als "flirt interessiert" ein und schloss die Augen. Bevor sie sich auf der Suche nach einem Gegenstück machte, wollte sie sich genau vorstellen, was sie eigentlich wollte. Damit ihr so etwas wie beim letzten Mal nicht noch einmal passierte. Also stark sollte er schon sein. Breite Schultern waren immer ein muss. Aber wie sah es mit dem Bauch aus? Waschbrett war ja der Reinfall, aber schwabbelig? In jedem Fall einsilbig und zur Sache, so einer oder keiner! Sie machte die Augen auf und schaute in der App nach, ob es überhaupt jemanden in der Nähe gab. Es gab tatsächlich einen, der sich 'Lafmaschin' nannte und auf der Suche nach 'nur mal so nebenher' war. Das Profilbild zeigte einen blonden, breitschulterigen Mann mit einem flachen, glatten Bauch. Sie wischte das Profil nach rechts.
Hatte er an ihr Interesse? Sie hatte nur ihren runden Arsch als Bild. Als Frau sollte das reichen. Tatsächlich hörte sie ein "Hallo" von ihrem Handy. Er hatte ihr Profil auch nach rechts gewischt! "Hallo, gefällt er Dir?"
"Frauen müssen für mich einfach rund sein."
"Siehst Du das nicht ein wenig sportlich 'Lafmaschin'?"
"Da weiß die Frau sofort, was Sache ist. Und wir wollen doch auf keinen Fall mehr!"
"Mehr nicht. Nur so für heute nachmittag. Am Abend habe ich schon etwas vor."
"Bei mir genau so. Aber bevor wir uns sehen. Du hast gar nicht angeben, ob Du rasiert bist. Bist Du?"
"Wie?"
"Ich mag Frauen nicht, die Stoppeln an den Unterarmen oder Beinen haben. Da frag ich lieber gleich."
"Nichts an mir ist rasiert. Das brauche ich gar nicht. Wenn Dir meine Härchen nicht passen."
"Härchen sind ja ok. Aber durch das rasieren, werden die ja immer härter und stoppeliger. Das muss dann, wenn schon, denn schon, gewachst werden. Ich habe meine Brust übrigens gewachst. Ist jetzt wie Arnold."
"Hast du etwa auch einen Sixpack?"
"Nicht richtig definiert. Da ist nun wieder ein bisschen Speck drüber. Waren wohl ein paar Bierchen zu viel in der letzten Zeit. Problem?"
"Nee, super. So ganz hart ist nichts für mich."
"Wo treffen wir uns? Zu Dir oder zu mir?"
"Ich bin am Weiher im Stadtpark"
"Dann bei mir am Prinzregentenufer. In dem Apartmenthaus mit den großen, weißen Balkonen. Ich hole dich so in einer Viertelstunde ab." Er legte auf.
Sie schaute nachdenklich ihr Smartphone an. Welch eine Zeitersparnis! Bei ihrem ersten Treffen hatte sie noch vorgeschlagen ein Zeichen zu vereinbaren. Sie legte es zurück in die Wiese.
"Christine, Du bist hier?" hörte sie unvermittelt.

Sie schaute hoch und sah zwei junge Frauen auf sich hinuntersehen. Die dunkelhäutige Frau kannte sie nicht, aber die andere war: "Charlottte?"
"So trifft man sich am See. Ich dachte Du hättest Vollzeitjob"
"Im Labor bauen wir Überstunden ab, da habe ich eben heute Nachmittag frei genommen. Und da wollte ich die letzten Tage im Sommer noch auskosten. Schön, dass ihr da seid" Christine griff ihr Handy.
"Wir bleiben nur ein paar Minuten. Unser Praktikum fängt in zwanzig Minuten an. Das ist übrigens Malena, wir machen zusammen Ausbildung. Malena, das ist Christine, meine allerbeste Freundin" Christine legte ihr Handy wieder weg und winkte Malena zu.
"Hast Du etwas von den Männern gehört? Meiner hat sich gar nicht in der Mittagspause gemeldet." fragte sie Charlotte.
"Heute geht es doch bergab. Den ganzen Weg nach Verona. Die werden gar nicht genug bekommen. Sind doch wie die Kinder"
"Dann sind die heute abend ja gar nicht richtig ausgepowert und dann feiern sie sich. Das heißt also, bevor ich ins Bett gehe, Telefon und Handy aus, weil der ruft ja sonst um Mitternacht an, um von dem großen Tag zu erzählen. Es immer gut Dich zur treffen Charlotte."
"Siehst Du. Hat Robbie Dir schon vom Triathlon vorgeschwärmt?"
Christine bekam grosse Augen.
"Nächstes Jahr. Aber nur einen olympischen. Den kleinen. Die spinnen."
"Ich möchte ja zu gerne wissen, wie bei denen die Midlife Krise in zehn Jahren aussieht. Vielleicht werden die ja zu richtigen Couchies" lachte Christine.
"Wir müssen dann aber. Und nicht vergessen. Samstag Päärchenabend bei uns. Wir sind dann vier. Heike und Malena kommen auch."

Christine schaute den beiden hinterher. Malena bot einen umwerfenden Eindruck. Sie trug einen Faltenrock mit einem Top aus ähnlich buntem Stoff. Es waren vorwiegend leuchtend gelbe Farbtöne, die einen guten Kontrast zu ihrer dunklen Haut gaben. Wenn sei einen Schritt machte, wackelte ihr Arsch am Ende der Bewegung sprunghaft in die dem aufsetzenden Fuß entgegengesetzte Richtung. Wenn der linke Fuß aufgesetzt wurde, nach rechts, wenn es der rechte war, nach links. Aber er bewegte sich erst, wenn der Fuß abgerollt wurde, dann aber ganz schnell. Manche haben es einfach drauf, dachte sie sich. Den beiden kam ein junger Mann entgegen. Er trug eine grüne Bermudahose und ein Basketballhemd, das seinen muskulösen Schultergürtel betonte. Malena kannte ihn. Sie winkte ihm zu und griff Charlotte am Oberarm. Er sah das Winken, kam zu den beiden und gab Malena einen richtig dicken Kuss. Danach gab er Charlotte erst die Hand, bevor er sie links und rechts auf die Wangen küsste. Nach ein paar Worten trennten sie sich. Er winkte Malena noch zu, bevor er weiter in Richtung Christine ging.

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