Freitag, 3. Juli 2015

Verlobung

Es regte ihn nicht auf, dass er, wie immer, auf Sascha warten musste. Sascha musste sich immer erst noch stylen, wenn es hinausgeht.
"Die neue Schnecke nicht vernaschen?" war die erwartete Frage, die der Freund nach der eher einsilbigen Begrüßung stellte. Wie der dabei grinsen konnte? dachte Wolfi. Er erklärte, dass es Sinn der Sache wäre zu prüfen, ob oder auch ob nicht. "Du nimmst das viel zu schwer" war dann der, sicherlich gut gemeinte, Rat des Freundes, bevor über die Vorzüge des freien Singledaseins geschwärmt wurde. Ein Mann muss eben sehen, dass er seinen Samen in möglichst breit verteilt. Wie schon bekannt, wurde noch einmal wiederholt, dass das ganze etwas biologisches sei. Wolfi nahm das nicht zu Ernst und nach ein paar Minuten kamen sie bei Annas Wohnung an.
Unten warteten die zwei jungen Frauen schon. "Ihr kennt Euch ja. Aber ihr noch nicht. Sascha das ist Isabelle, Isabelle das ist Sascha" Anna stellte die kleinere Kollegin vor. Wie gekonnt sie das machte! Sie war einfach eine richtige Chefin und die allerbeste Freundin. An jenem Abend sollte es sich zeigen, ob diese Isabelle, die neue Kollegin von Anna, sich in seinen Freundeskreis einfügt. Es fing gut und locker an! Als es zum Auto ging, lief Wolfi vorne weg und die Mädchen hatten sich bei Sascha untergehakt. Sie nahmen auf den hinteren Sitzen Platz. Direkt hinter ihm sass Isabelle. Er stellte den Rückspiegel so, dass er sie, wie zufällig, immer mal wieder sehen konnte. Sascha klemmte sich die Hörer in die Ohren und stimmte sich schon einmal auf das Konzert ein. Mädchengespräche zu überhören, war nie sein Ding. Wolfi machte es nichts aus immer mal wieder etwas von dem Gespräch auf der Rückbank mitzubekommen. Frauen denken manchmal in seltsamen Kategorien, sagte er sich dann. So wie an der Stelle als Isabelle sagte: "Die Renate möchte ihr Kind bekommen und ganz alleine aufziehen". Da war er ganz Ohr und lauschte den Erkenntnissen, dass eine Frau immer damit rechnen müsse, dass der Vater ja das Weite sucht. Anna wies darauf hin, dass so etwas am Ende einer Beziehung mit einem, der etwas hat, kommen könnte, aber nicht, wie anscheinend bei Renate, einfach so. Das wäre ja gar nichts. Wie nüchtern sie redeten. Er wurde trauriger und fragte sich, ob Sascha nicht vielleicht doch Recht hätte. Einfach nicht so Ernst nehmen, immer aufpassen und geniessen. Dann sagte Isabelle: "Also wenn ich ja schwanger werden sollte, dann nur in einer festen Beziehung. Am besten verheiratet. Mit einem der bleibt. Für immer". Sollte er vielleicht doch nicht aufgeben? Anna schlug sofort Wolfi vor. So einer wäre doch etwas, oder etwa nicht. "Der ist nichts für einfach mal so zwischen durch". Hier musste Wolfi sein lässiges "ganz, oder gar nicht" von sich geben. Isabelle fuhr mit ihrer Hand durch seine Locken. Es freute ihn, aber das wollte er nicht so direkt zeigen. Trotzdem schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Im Rückspiegel trafen sich ihre Augen, "Vorsicht" rief Anna. Ja! Nach vorne sehen. Er beschloss langsamer zu fahren. War sowieso noch Zeit und bei leiserem Motor konnte er besser verstehen was diese kleine Person noch Kund tun würde. Es entspann sich ein Gespräch über die Dauer von Beziehungen. Wie unsicher sie doch ist? Was er hörte, war viel besser als er sich vorgestellt hatte. Wenn sie nicht etwas vorspielte, wäre sie passend. Die Idee von Anna schien zu funktionieren! Erfreute lehnte er sich zurück und fuhr entspannt über die Landstraße.

Kurze Zeit später tuschelten die beiden auf der Rückbank. Schlug Anna etwas nicht für seine Ohren Bestimmtes vor? Oder sprach Isabelle einen Punkt an, den er nicht hören sollte? Im zweiten Fall würde Anna es ihm erzählen. "Du meinst wir beide und ein Mann?" Isabelle wurde lauter. Anna hatte einen Dreier vorgeschlagen? Mit ihm? Er konnte das nicht einsortieren. Im Rückspiegel sah er, wie Isabelle zu Sascha schaute. Wolfi hatte das Gefühl rot zu werden. Das mochte er nicht. Zwar wusste er, dass er nie rot wird, aber alleine das Gefühl war ihm zu wider. Was fällt Anna ein! Sie machte ihm alles kaputt! Er drückte auf das Gaspedal und das Auto näherte sich einem LKW. Überholen? Ein Schlenker nach links und, ja, es gab keinen Gegenverkehr. Also raus und zügig vorbeifahren! Er war sauer und musste sich einfach befreien. Im Rückspiegel konnte er die Augen Isabelles sehen. Sie bewunderte seine Entschlossenheit! Geht doch, sagte er sich, als er die Rechtskurve vor ihnen bemerkte. In den Leitplanken sah er die Spiegelung eines entgegenkommenden Fahrzeugs. Sollte er durchziehen oder abbrechen? Anna rief: "Zurück, das schaffst Du nicht!" Er gab Gas, Anna schrie und Sascha richtete sich auf. Was machte Isabelle? Im Rückspiegel trafen sich ihre Augen, Sie vertraute ihm! Er lächelte den entgegenkommenden Lieferwagen an, ob es wohl nicht doch möglich war den Überholvorgang abzuschließen. Es waren Bruchteile von Sekunden, die ihm ewig vorkamen. Sascha und Anna schrien, Isabelle vertraute ihm und er wusste, dass Bremsen nichts mehr helfen würde. Es kam ihm ein Lieferwagen entgegen, der viel zu schnell fuhr und ihn mit der Lichthupe blendete. Im Rückspiegel trafen sich Wolfis und Isabelles Augen. Wie ruhig sie war! Er zog nach links. Dort war ja nur Acker. Der Wagen wäre hin. aber sonst sollte nicht passieren. Mit dem Baum, der sich in die Beifahrerseite presste, hatte er nicht gerechnet. Sascha war sofort tot. Das Auto war nicht vollständig aus dem Weg, als der Lieferwagen die Stelle passierte. Sein rechter Kotflügel drückte Annas Seite ein. Sie kam nicht ins Krankenhaus.

Wolfi wusste nicht, wie er in das Krankenhaus gebracht wurde. Er wachte auf einer Bahre wieder auf. Neben ihm wurde Isabelle nach ihrem Namen gefragt.
"Isabelle"
Und welcher Tag heute wäre.
"Freitag"
Dann hörte er: "Und wie ist ihre Beziehung zu ihm?"
"Wieso? DAs ist mein Freund"
"Ach so. In einer festen Beziehung?"
"Wieso?"
"Ja, wenn es ihr Lebenspartner oder so ist, muss ich ihn hier eintragen und wir müssten ihn über ihren Zustand auf dem Laufenden halten. Sonst muss er halt fragen"
"Hmm"
"Wo soll ich das Kreuz machen?"
"Bei verlobt"
Wolfi wurde hellwach.

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