Freitag, 28. November 2014

Zu den Wurzeln

"Hallo, ich wollte zu ", der Elan der jungen Frau ließ nach, als sie den neuen Freund ihrer Freundin sah. 
"Franzi ist noch nicht gar nicht da, weiß auch nicht was los ist. Du musst Lisa sein, meine Name ist Michael, sei gegrüsst und komm herein", mit einem angedeuteten Diener bat er sie herein. Sie trat in die Diele, sah sich um und zog dann die Schuhe aus. "Ich ziehe besser die Stiefel aus, hinterher ..", merkte sie an, er  blickte sich an der Tür zum Wohnzimmer um und nickte ihr zustimmend zu. Auf dem Weg zum Esstisch rief er noch: "Schau Dich nur um, was hältst Du von der Wohnung? Ist doch Klasse, nicht wahr?" Da hatte er nicht unrecht, bewunderte sie das großzügige Wohnzimmer mit dem vertrauten, dicken Eichentisch in der Essecke und der gemütlichen Sitzecke. Sie lächelte diese an bei der Erinnerung an die dort verbrachten Fernsehnächte. Fast alle Möbel im Wohnzimmer waren von Franzi, nur der Schaukelstuhl war neu.


Er stand an ihrer Ecke des Esstisches und erzählte, wie er mit viel Glück den Eigentümer dieser Wohnung in dieser Lage mit dieser Aussicht kennengelernt hat. Andächtig lauschte sie seinen Ausführungen. Ab und zu stimmte sie mit einem Kopfnicken oder auch einem kurzen "Cool" einem Punkt zu, während sie ihn anschaute. Sie konnte Franzi nur beglückwünschen, seine Gesichtszüge schlank, sein Bart gepflegt und der Pferdeschwanz! Sein unaufdringlich, missionarisches Auftreten! Aber er war ja schon vergeben!
"Darf ich Dir einen Espresso anbieten?", riss er sie aus ihren Träumereien. "Ja, gerne", einen Espresso konnte sie gut gebrauchen. Er ging in die Küche und sie konnte sich an ihrem Platz setzen, von dem sie durch die Durchreiche in die Küche schauen konnte. Dort hantierte er mit einem silbernen Gerät, das er auseinander schraubte. Es war ein urtümlicher Espressokocher! Mit dem unteren Teil ging er weg. Sie hörte den Wasserhahn. Dann legte er das Kaffeesieb ein, füllte den Kaffee hinein und klopfte diesen sorgfältig fest. Zum Schluß schraubte er die Kanne darauf. Den so angerichtetenEsprssokocher stellte er auf den Herd. Danach kam er wieder zurück und nahm die Espressotassen aus der Anrichte. Sie fragte neugierig: "Ist Franzi's Kaffeeautomat etwa kaputt? Das war doch ihr ganzer Stolz."
"Nein, nein, zum Frühstück, wenn es schnell gehen muss, trinken wir so einen Kapselkaffee. Aber nun haben wir doch Zeit? Da gönnen wir uns doch einen richtigen Genuss" erklärte er. Sie lernte von der Sorte Espressokaffee, den es so nur in dieser Rösterei gebe, die Bohnen seien aus einem Tal in Äthiopien. Als aus der Küche ein Zischen und Brodeln ertönte, sprang er auf und kam mit dem dampfenden Ding zurück. 
"Hier, riecht der nicht gut?" hielt er ihr den geöffneten Espressokocher hin. Sie beugte sich vor und roch. Sie lächelte zustimmend. Als er die Tässchen füllte und sich zu ihr an den Tisch setzte, nahm sie eine gespannte Haltung ein, ihr Rücken lehnte nicht mehr an, die Füsse standen nebeneinander, und die Hände kamen auf den Tisch. Gespannt schauten sie seine Augen an, als sie den ersten Schluck nahm. 
"Nun?"
"Au ja, der ist gut", war ihr Kommentar. Als sie Tasse absetzte, lehnte sie sich zurück. Er tippte ihre Hand an und dozierte: "Bei dieser Art Kochen, wird ja der Wasserdampf bei 100 Grad durch das Kaffeepulver gedrückt. Und das ist ja dann auch genau die richtige Temperatur. Bei den Automaten wird der Druck mit einer Pumpe verstärkt, das geht dann viel schneller, aber die Aromen kommen da gar nicht richtig mit. Deswegen schmeckt das so toll." Bei dieser Ansprache entspannte sie sich sichtlich, ihre Knie öffneten sich und ihre linke Hand ruhte zwischen ihren Oberschenkel. Schweigend betrachtete er sie. Als ihre Wangen sich leicht rötlich färbten, erzählte er ihr von dem Flohmarkt, auf dem er diese Espressomaschine gekauft hatte. Sie war nicht billig! Wenn er doch nur eine richtige Kaffeemühle im ähnlichen Design finden würde. 

Plötzlich klingelte etwas in der Diele. Es war eine Klingel, oder so. Die beiden schauten sich erstaunt an, dann ging er in die Diele. Wenig später hörte sie ihn: "Ja, die Lisa ist schon da." Dann rief er sie: "Kommst Du mal?" Sie stand verwundert auf und sah in der Diele, wie er ihr einen Hörer hinhielt, der an einem Telefon befestigt war. Der Hörer war ganz schön schwer. Franzi meinte, sie würde dann direkt vorbeikommen. Das Gespräch ging zum Glück schnell zu Ende und sie legte erleichtert den Hörer zurück in die Gabel. Bevor sie in das Wohnzimmer ging, spielte sie an der Wählscheibe des Telefons. Es machte drrr, und dann tack, tack, tack. 

Verwundert ging sie in das Wohnzimmer zurück. Mit einem breiten Grinsen erklärte ihr Michael: "Toll, solch ein altes Wählscheibentelefon. Habe ich auf dem gleichen Trödel gekauft, wie die Espressomaschine. Es passte von der Farbe her genau zum Parkett. Und hier in diesem Haus. Sieht doch super aus."
"Der Hörer ist aber richtig schwer", sie setzte sich wieder an ihrem Platz.
Kurz stutzte er, aber dann kam: "Das ist ja nun wirklich gut so. So musst Du dich wirklich kurz fassen und kommst gar nicht in das Schwätzen und Erzählen. Eine richtige Reduktion auf das wesentliche. Wenn das etwas leichtes, schnurloses wäre, würdest Du ja nun noch mit Franzi schwätzen, oder?" Er wartete lächelnd auf ihre Zustimmung. Die dann auch kam.
Sie konnte ja nur nickend zustimmen.
"Das mit der Wählscheibe ist auch wirklich gut, beim wählen. Es gibt ja keine Kurzwahl, Du musst die ganze Nummer einwählen. Mit Vorwahl sind das manchmal bis zu 15 Zahlen. Also 15 mal den Finger in die richtige Ziffer stecken, drehen und warten. Dabei immer auf die richtige Reihenfolge achten! Und Du siehst nicht, welche Ziffern Du schon gewählt hast. Da wird verwählen wieder möglich. Aber das bedeutet ja dann auch, dass Du dich auf die wichtigen Anrufe beschränkst, weil es ja richtige Arbeit ist eine Verbindung herzustellen." Das Gespräch nahm eine Wendung ins Philosophische. 

Die beiden waren so vertieft in ihr Gespräch, dass sie nicht hörten, wie sich die Haustüre öffnete. So stürmte unvermittelt Franzi in ihr Gespräch: "Lisa, Lisa, meine Lisa ...ich muß dich unbedingt knuddeln". Was die beiden auch taten. Danach fragte Franzi: "Das Telefon von meiner Omi ist doch wirklich toll, nicht wahr?"

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